Vor einem Jahr – im Februar 2020 – eröffnete Lone Aggersbjerg das Tink Tank und bereicherte Heidelberg damit um einen Coworking Space, der sich vor allem an Unternehmen, aber auch an Mitarbeitende kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen richtet. Auch, wenn es nicht immer einfach war, einen Coworking Space in einer Pandemie aufzubauen, würde Lone auch im Nachhinein nichts anders machen. Im Interview erzählt sie, wie sie das erste Jahr als Coworking Space Betreiberin erlebt hat und wieso sie glaubt, dass Coworking in Zukunft eine noch größere Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen wird.

Ein Jahr Tink Tank – wie zufrieden bist Du nach einem Jahr? Ist es so gelaufen, wie Du es dir vorgestellt hast? Trotz (oder vielleicht gerade wegen) Corona?

Ich bin überzeugt davon, dass die vernetzenden und digitalen Möglichkeiten sowie Ressourcen von Coworking Spaces die Zukunft sind. Mobiles Internet, moderne Konferenzlösungen und neue technologische Entwicklungenmachen ortsunabhängiges Arbeiten in vielen Berufssparten möglich, nicht nur für Digitale Nomaden, StartUps oder freiberuflich Tätige. Auch für Arbeitnehmer wird flexibles Arbeiten immer wichtiger und attraktiver.

Was waren die größten Herausforderungen im ersten Jahr?

Als der erste Lockdown kam, waren wir gerade mal fünf Wochen alt und mussten unsere offizielle Eröffnung absagen. Viele Wochen lang habe ich jeden Tag ganz alleine im Tink Tank gesessen.

Die große Frage war, wie man jetzt eine Community aufbaut – mitten in einer Pandemie. Also bin ich jeden Tag in den Space gefahren und war da. Dann kamen die ersten Tagesgäste, dann die ersten festen Coworker und schließlich ist die erste Firma eingezogen. Mit kleinen Schritten haben wir unsere Community aufgebaut.

Die größte Herausforderung waren der parallele Aufbau einer Community vor Ort und gleichzeitig auch eine virtuelle. Vor dem Lockdown hatten wir schon viele MeetUps geplant. Das musste auf einmal alles auf virtuelle Kanäle umgestellt werden. Die richtig tollen innovativen Ideen entstehen in der Begegnung – spontan und ungeplant. Jetzt ging es darum, wie wir spontane und ungeplante Begegnungen auch virtuell unterstützen und begleiten können.

Dein Space ist ja besonders auf Unternehmen ausgelegt. Wie wird dieses Angebot angenommen?

Mein ursprünglicher Plan war sehr auf Großunternehmen gerichtet. Ich kam selber mit 23+ Erfahrungen aus Corporates. Viele Berufspendler wollten in der Pandemie nicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in andere Städte fahren, sondern lieber remote arbeiten. Manche bleiben trotzdem lieber im Homeoffice, weil sie das Großraumbüro in der Pandemie meiden. Aber es gibt auch viele, die sich jetzt das Pendeln sparen wollen und stattdessen in den Coworking Space kommen. Unser Buchungssystem macht die Auslastung des Büros transparent. So können die Nutzer das Risiko, andere zu treffen, besser einschätzen und ihren Aufenthalt bei uns planen.

Im Homeoffice ist es nicht immer leicht, konzentriert zu arbeiten. Nicht jeder hat ein voll ausgestattetes Büro zu Hause. Auch die Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit fällt im Homeoffice oft schwer. „Irgendwie ist nie Feierabend“, hieß es da oft. Das war der saure Apfel, in den viele Arbeitnehmer in der Pandemie beißen mussten.

Trotzdem sind jetzt viele auf den Geschmack von Remote Work gekommen. Man kann sich die Zeit selbst einteilen und lange Anfahrten vermeiden. Bald wird es nicht mehr zeitgemäß sein, an einem einzigen festen Ort zu arbeiten. Vor allem dann nicht, wenn dafür teure und zeitaufwendige Fahrten der Alltag sind.

Bei den Arbeitgebern findet gerade ebenfalls ein Umdenken statt: Auch die großen Unternehmen haben durch Corona bemerkt, dass Remote Work vieles einfacher macht und die Work-Life-Balance begünstigt. Das Arbeiten von einem „dritten Ort“ ist etwas, das in Zukunft eine alltägliche Lösung sein wird. Der Coworking Space wird in Zukunft einen hohen Stellenwert zwischen Homeoffice und Firmenzentrale einnehmen – und zwar als Ort der Begegnung, der Inspiration und Weiterbildung..

Glaubst Du, dass Corona dem Thema Coworking einen Aufschwung geben kann?

Auf jeden Fall. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass Coworking ein „Gewinner“ der Pandemie wird. Wir als Branche müssen nur den Mut haben, diese Zukunft mitzugestalten. Wir müssen mitreden. Auch, wenn die Politik Regelungen für Homeoffice, Remote Work und Ansprüche auf hybrides Arbeiten definieren, müssen wir uns hier einmischen. Wir müssen zeigen, dass man keine Angst vor Veränderungen haben muss, dafür sollten wir als Role Model vorangehen. Wir können die Arbeitswelt voranbringen und wir sollten uns auch diese Rolle wahrnehmen.

Wie blickst Du in die Zukunft? Was hast Du als nächstes für Deinen Space geplant?

Ich blicke positiv und optimistisch in die Zukunft. Wir sind in der Planung von Tink Tank Space 2 und unsere Kooperationen zeichnen einen positiven Weg. Die erhöhte Nachfrage, Betreiber wie uns zu beauftragen, auch Bürolandschaften von anderen mitzugestalten, unterstreicht für mich die entscheidende Rolle, die wir als Branchen hier einnehmen können.