„Orte brauchen Leute. Du kannst am schönsten Ort sein und remote dort arbeiten – wenn Du die Erfahrung mit niemandem teilen kannst, ist es nur halb so schön“, sagt Steffi Rinderle. Sie hat vor zwei Jahren ihren Vollzeitjob gekündigt und ist nach Mallorca gereist. Sie hat sich selbstständig gemacht und dadurch Remote Work und Coworking für sich entdeckt, und damit auch Workation.

Auf ihren Reisen hat Steffi schon so einiges erlebt. Sie war im Air BnB ohne WLAN, in einer Art WG in einem Coliving Space, in der sich aber alle aus dem Weg gegangen sind und in anderen Unterkünften, die nicht so arbeitsgeeignet waren. „Das war auf einmal gar nicht mehr wie auf LinkedIn, wo immer alles toll aussieht“, lacht sie. Also beschloss Steffi kurzerhand, dass sie selbst etwas auf die Beine stellt, das sie mit anderen für die Arbeit zusammenbringt. So fing sie an, Workations zu organisieren – mit allem, was dazugehört.

Das Rundum-Workation-Paket

Die erste Workation fand 2023 auf Madeira statt. Eine Gruppe von fünf Leuten fand sich zusammen. Morgens gab es ein Workout, dann wurde gefrühstückt und später wurde zusammen Lunch gemacht. Am Wochenende gab es einen Brunch und jeden Abend ein Programm mit Vorschlägen, was die Teilnehmenden machen könnten. Das Ganze in einer Gruppe zu organisieren, ist laut Steffi ideal. „Vor allem für Festangestellte ist es schwierig, kurze Workations zu machen. Wenn sie zum Beispiel eine Woche bleiben wollen, wird es schon schwierig mit Einkaufen und allem Drum und Dran, weil man letztendlich immer zu viel von allem hat am Ende. Wenn die Leute aber alles organisiert bekommen und alles dabei ist, haben sie die Zeit, einfach zu arbeiten und dann pünktlich Feierabend zu machen.“

Auf die erste Workation folgte auch schon bald die zweite. Im Oktober ging es nach Mallorca mit der zweiten von Steffi organisierten Workation – für einen Monat. Über die vier Wochen verteilt waren insgesamt 18 Leute Teil der Workation. Die ersten beiden Wochen war es eher eine Art Coliving und die Teilnehmenden organisierten sich selbst. Danach folgt eine Zeit, in der es ein fixes Programm gab. „Dann haben wir zum Beispiel zusammen einen Tapas-Kochkurs mit einer Köchin bei uns organisiert“, erzählt Steffi.

Oft fehlt die Community

Was Steffi in ihrer Zeit in verschiedenen Coworking Spaces rund um die Welt aufgefallen ist: Oft fehlt das Thema Community und es gibt kein einziges Community-Event. „Es gibt viele Coworking Spaces in den typischen Workation-Ländern, aber man sitzt trotzdem vor seinem Laptop alleine“, bedauert Steffi. Daher will sie in ihrem liebsten Coworking & Coliving Space bald eine Community-Week veranstalten. Generell setzt sie gern Kommunikations-Formate ein. Auch in ihrer Heimat Berlin organisiert sie gemeinsame Coworking Formate. Neben dem gemeinsamen Coworking gibt es dann ein Kennenlernfrühstück, bei dem sich aller vorstellen, gemeinsamen Lunch und abends Aperol oder – je nach Jahreszeit – Glühwein. So möchte Steffi für Austausch und Vernetzung sorgen.

Steffi findet Coworking besonders wertvoll, weil sie das Kennenlernen mit anderen so wichtig findet. „Es ist inspirierend, zu sehen, wie andere arbeiten und leben. Bei einer gemeinsamen Workation ergeben sich oft spontane Momente, die man so im Alltag sonst nicht erlebt. Jeden Tag dasselbe Büro, dasselbe Frühstück, dieselbe Serie … In der Workation-Zeit sind wir abends oft mit dem Auto zum Strand gefahren, haben dort die Zeit verbracht und auf der Fahrt spontan gesungen. Leichtigkeit war dabei das Thema. Es ging viel  mehr um ‚Leben‘ als nur um Arbeiten, weil man an einem anderen Ort einfach eine andere Perspektive auf die Arbeit kriegt. In Deutschland im normalen Alltag hat man Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und dann das Wochenende als Highlight. In der Workation haben wir auch unter der Woche richtig was erlebt.“

Dass die Workations auch nachhaltig ihre positiven Spuren hinterlassen, kann Steffi bestätigen. Sie selbst hat noch Kontakt zu den anderen, auch die Leute untereinander treffen sich noch und manche planen sogar gemeinsam schon die nächste Workation.

Workation eignet sich nicht nur für Selbstständige

Doch an welche Zielgruppen richten sich Workation-Angebote wie die von Steffi? „Im ersten Moment erscheint Workation den meisten wie etwas, das sich nur für Selbstständige und Freelancer eignet“, sagt Steffi. Aber dem ist nicht so. 70 % der Menschen, die an ihren Workations teilgenommen haben, waren festangestellt. „Vor kurzem hatten wir zwei Anwälte dabei, die eine Anwältin hatte dann sogar eine Online-Gerichtsverhandlung“, erzählt Steffi grinsend. „Wir hatten aber auch schon Leute aus dem Marketing oder HR-Bereich dabei und aus der Produktentwicklung. Mitarbeiter von StartUps und von großen Unternehmen haben schon mitgemacht bei den Workations und natürlich auch einige Selbstständige.“

Viele Unternehmen haben eine bestimmte Zahl an Tagen, die Angestellte remote im Ausland arbeiten können. „Daher eignet sich das Format, das wir als letztes ausprobiert haben, ganz gut“, berichtet Steffi. „Da gab es verschiedene Wochen, so dass auch kurze Zeiten für die Workation möglich waren. Für Angestellte ist das super. Viele Selbstständige machen es eher so, dass sie ein oder zwei Monate am Stück an einem Ort bleiben.“ Meist sind die Angestellten aus großen Konzernen, die eine Regelung für Remote-Work gefunden haben oder aus kleinen StartUps, denen Regelungen nicht so wichtig sind. Steffi beobachtet jedoch, dass es nur wenige Leute aus mittelständischen Unternehmen sind, die an den Workations teilnehmen.

Die Zukunft von Coworking und Workation

Auf die Frage, wie sich Coworking und Workation entwickeln werden, hat Steffi eine recht klare Antwort. „Ich glaube, dass es mehr werden wird. Den Weg zurück gibt es nicht mehr. Umfragen zeigen, dass viele Mitarbeiter Wert auf Remote Work legen. Die Gen Z will zum Teil gar nicht mehr gar nicht mehr komplett im Büro arbeiten. Es wird tendenziell mehr werden. Aber ich denke, dass es sich nicht so entwickeln wird, dass 80 % irgendwann remote arbeiten. Ich könnte mir eine europäische Lösung vorstellen, die dann übergreifend gilt. So wäre es für Unternehmen auch einfacher, Workations im Ausland zu erlauben.“

Die wichtigsten Punkte, die bei diesen Entwicklungen immer wieder auftauchen und auftauchen werden, sind die Themen Krankenversicherung, Steuerrecht und Datenschutz. Die Krankenkasse ist sowohl für Angestellte als auch für Selbstständige wichtig. Die Krankenkasse benötigt ein Formular, in dem festgehalten ist, wann und wie lange die Arbeit an einem anderen Ort stattfindet. Daher kommt die Regelung, dass viele Unternehmen (nur) 30 Tage im Jahr die Arbeit aus dem Ausland erlauben. Laut Steuerrecht darf man die Hälfte des Jahres, also 183 Tage lang, von einem anderen Ort aus arbeiten, bevor man dort steuerpflichtig wird. Was den Datenschutz angeht, gibt Steffi zu: „Da ist es außerhalb der EU aktuell eher schwierig.“ Ein Punkt für viele Unternehmen, derzeit nur die Arbeit im EU-Ausland zu erlauben. Ein großes Problem ist aber vor allem: Die Unternehmen wissen oft nicht, was sie erlauben dürfen und was nicht. Die Mitarbeiter denken darüber nicht ganz so viel nach. „Viele haben eher Angst, dass sie vor Ort nicht produktiv arbeiten können,– hier empfiehlt sich ein Coworking Space als Alternative zum Arbeiten in Hotels oder AirBnB’s“, hält Steffi fest. „Dort gibt es nicht immer stabiles WLAN, keine produktive Atmosphäre und die Buffet-Zeiten müssen mit den Arbeitszeiten matchen. Die Zimmer sind nicht besonders ergonomisch ausgestattet, man sitzt allein herum und muss sich selbst organisieren.“

Workation am Strand

Die Gemeinschaft zählt

Steffi selbst war innerhalb eines Jahres in 10 bis 15 Coworking Spaces. Aber: „Nicht alles, was sich im Ausland Coworking Space nennt, ist dann auch wirklich gut.“ So war sie schon einem Coworking Space, in dem es bei 50 Nutzern nur eine Zelle für Calls gab. In einem anderen Space gab es bei 15 Grad Außentemperatur keine Heizung. Sie hat aber auch tolle Coworking Spaces entdeckt in ihrer Reisezeit. „Das TheHub auf Mallorca war toll – alles ist offen dort, es gibt eine offene Küche, man connected sehr schnell, die Räumlichkeiten sind schön und die Ausstattung ist super für Calls geeignet. Außerdem gibt es viele Lunchmöglichkeiten in der Nähe. Auch toll sind das Surfescape auf Fuerteventura und das Kelp in Eritrea war auch gut.“

Für Steffi zählt am Ende aber vor allem die Gemeinschaft. Und die funktioniert auch, wenn es sich um eine Ferienvilla handelt, in der alle zusammenwohnen und in der es sich gut arbeiten lässt. Auch in Zukunft will sie auf jeden Fall weitere Workations organisieren und weitere Ziele anbieten. Dabei ist sie sicher: „Das wird ein spannendes Jahr.“

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