Studie: Social Media in Coworking-Spaces

Im Juli 2019 ist die Studie „Social Media in Coworking-Spaces“ von Nicole Novak erschienen, die die Nutzung von Social Media-Plattformen in der internen und externen Kommunikation untersucht. Auf coworking.jetzt lesen Sie exklusiv das Vorwort des Herausgebers Tobias Kollewe. Die Studie ist entstanden an der FH Aachen und im Buchhandel erhältlich.

Vorwort von Tobias Kollewe (Linkedin-Profil)

Cover Studie Social MediaEigentlich – sollte man meinen – gehört Social Media Marketing heute bereits zum Standard-Marketing-Mix. Je nachdem, wen man fragt, spielen Facebook, Twitter & Co. eine mal mehr, mal weniger wichtige Rolle. Klassische PR/Public Relation, als Beziehungspflege zur Öffentlichkeit, bildet je nach Befragten das Gegengewicht zu dem „neumodischen Marketingtrend“ in diesem Internet.

Aber, so sollte man eigentlich annehmen, in einer internet-affinen Nutzergruppe wie den Coworking-Space-Betreibern, mit einer vermutlich ebenso internet-affinen Zielgruppe, den Coworkern, da sollte Social Media eine eher große Rolle neben der klassischen PR einnehmen. Soweit zumindest unsere Annahme.

Betrachtet man die Historie von Coworking-Spaces, wie sie entstanden und gewachsen sind oder nimmt man heutige Nutzerstrukturen in den Spaces genauer unter die Lupe, dann müsste man eigentlich davon ausgehen, dass sich genau diese Annahme auch bestätigt.

Coworker lassen sich – mit Ausnahmen – in eine innovative, junge und technikbegeisterte Schublade einsortieren. Dabei dürfte man eigentlich auch kaum Unterschiede zwischen den jeweiligen Typen erkennen: Freelancer, Wissensarbeiter, Corporate Coworker (die Gruppe der Coworker, die von Unternehmen für Projektarbeiten in Coworking-Spaces entsendet werden).

Genauso wenig dürfte man eigentlich große Unterschiede in der lokalen Zuordnung erkennen. Egal ob im ländlichen Raum oder in Metropolregionen, überall sollte die Nutzung von Social Networks wenn nicht die größte, dann doch zumindest eine große Rolle im Marketingmix und in der internen und externen Kommunikation spielen.

Wie man nun aus den „müsste“ und „sollte“ erahnen kann, zeigt die vorliegende Studie von Nicole Novak in weiten Teilen aber genau das Gegenteil.

Viele Coworking-Spaces und deren Betreiber kennen zwar die untersuchten Plattformen, nutzen sie aber nicht oder nur teilweise für die interne Kommunikation (Community-Building) oder für die externe Kommunikation (Mitgliedergewinnung) mit Coworkern.

Woran das liegt, wurde letztlich nicht erhoben, aber vergleicht man den Vertrieb der Dienstleistung „Coworking“ mit anderen Produkten und Dienstleistungen im B2B-Bereich, die ebenfalls zu weiten Teilen über das Internet vertrieben werden, dann lässt sich der Schluss nahe legen, dass auch hier die Möglichkeiten, die die Social Networks bieten, einfach nicht bekannt sind.

Michael Keukert (Linkedin-Profil), Vorstand für den Bereich Onlinemarketing bei der AIXhibit AG, bestätigt genau das:

„Ein großer Teil unserer Arbeit besteht nach wie vor in Aufklärungsarbeit. Wenn man es so betrachtet, ist Onlinemarketing heute immer noch für viele Neuland. Egal ob Google Ads (ehemals Google AdWords), Facebook Marketing oder E- Mail-Marketing. Durch Tools wie Remarketing, die starke Einbindung in bestehende Prozesse und insbesondere die Integration der Tools ineinander und in CRM-Systeme entsteht ein leistungsstarker Kosmos, der bei vergleichsweise geringem Einsatz von Personal und Budget hohe Konversionsraten und damit auch hohe Umsätze garantiert.“

Vermutlich liegt genau hier der Hund begraben: Aktuell fehlt es vielen Coworking-Spaces immer noch an der notwendigen Professionalisierung. Davon ausgehend, dass 2018 nur rund 30% aller Coworking-Spaces in Deutschland profitabel liefen (deskmag Coworking-Survey), dann hat das vermutlich seine Ursache in vielen unterschiedlichen Bereichen. Einer davon kann der Bereich „Marketing und Vertrieb“ sein. Zumindest wäre auch dieser Schluss naheliegend. Wenn das Produkt oder die Dienstleistung gut ist, der Betrieb aber trotzdem nicht wirtschaftlich arbeitet, dann schaut man zunächst auf zwei Bereiche: die Kostenstruktur und den Vertrieb. Davon ausgehend, dass Marketing letztlich nur ein Werkzeug des Vertriebs ist, und – seitens des Anbieters – dem (Multichannel-)Marketing aber nur eine untergeordnete Rolle zugestanden wird, dann könnte hier eine mögliche Fehleinschätzung vorliegen.

Genau diesen Schluss könnte man aus der vorliegenden Studie dann auch ziehen. Zwar wurde genau dieser Fakt nicht überprüft (weil er nicht Teil der Aufgabenstellung war), aber er ist nicht von der Hand zu weisen.

Die befragten Coworking-Spaces lassen sich (angenommen) in eine Gruppe der erfolgreichen und in eine Gruppe der weniger erfolgreichen Coworking-Spaces unterteilen. „Erfolgreich“ sei in dieser These nicht genau definiert. Erfolgreich kann hier sinngemäß den wirtschaftlichen Erfolg meinen. Er kann aber – soweit diese nicht sowieso Hand in Hand gehen – auch Erfolg im Sinn von Reichweite, Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, Multiplikation durch Coworker (Mitglieder) oder auch die Akquise von Venture-Kapital meinen.

Auffällig an der Studie ist die Tatsache, dass alle (angenommen) erfolgreichen Coworking-Spaces deutlich mehr Wert auf die Nutzung sozialer Medien legen, als die weniger/nicht erfolgreichen Coworking-Spaces.

Dabei geht es nicht allein um die Frequenz der Postings auf Facebook oder Instagram. Wobei der Form halber nochmal anzumerken sei, dass eine hohe Frequenz per se für mehr Aufmerksamkeit sorgt. Es geht vor allem um die Ausnutzung der Möglichkeiten, die die jeweiligen Plattformen anbieten und um die Verzahnung der einzelnen Plattformen und Dienste untereinander.

Zu den untersuchten und befragten Spaces gehören beispielsweise Ketten wie Design Offices, rent24 oder der Kölner Startplatz.

Schaut man sich allein die jeweilige Anzahl der Fans auf Facebook (bis zu 15.000) oder Instagram (bis zu 4.326) an, dann kann man ahnen, wie hoch die tägliche Reichweite der Marken liegt. Dabei spielt dann auch nur eine untergeordnete Rolle, ob es sich um organische oder bezahlte Reichweite handelt. Denn schließlich ist Reichweite gleich Reichweite.

Henne oder Ei. Diese Frage kann man sich auch beim Weltmarktführer wework stellen. Mehr als 1,2 Millionen Fans auf Facebook, mehr als 530.000 Abonnenten auf Instagram, mehr als 107.000 Follower auf Twitter (Stand Juli 2019). Ob die Kette deswegen erfolgreich ist, weil sie konsequent auf Social Media-Marketing setzt, ist nur mehr eine rhetorische Frage.

Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass alle (in den sozialen Netzen) erfolgreichen Spaces das Social Media-Marketing nicht dem Zufall überlassen. Hinter den Plattformen steckt eine ausgeklügelte und konsequent verfolgte Strategie, die nur einem Zweck dient: in erster Linie dem Vertrieb (und nicht dem Marketing).

Immer geht es darum, die jeweiligen Spaces in einem optimalen Licht erscheinen zu lassen und die Angebote (Arbeitsplätze, Veranstaltungen, Services) bestmöglich zu inszenieren.

Es ist dabei auch kaum vorstellbar, dass die Plattformen jeweils einzeln, ohne Social Media-Management Plattformen (wie zum Beispiel HootSuite oder Sprout Social), betrieben werden, um Postings und Interaktionen zu steuern.

Viel eher würde ich davon ausgehen, dass die Plattformen direkt an CRM-Systeme (Customer Relationship Management) angebunden sind, die die jeweiligen Plattformen als Kampagnen-Kanäle nutzen und alle Sale Signals wie Likes, Shares und Comments direkt einem Lead oder Kontakt zuordnen und mit einer nachfolgenden Vertriebsaktivität verknüpfen.

Ein kleiner Exkurs in die Welt der CRM: Der Kontakt ist dabei bereits Kunde und kann mit anderen Informationen bespielt und versorgt werden; anders als ein Lead, der ein möglicher Kunde ist, dessen akuter oder zukünftiger Bedarf (an Arbeitsplatz, Seminarraum oder Service) in die Vertriebsstrategie einsortiert werden muss.

Reagiert also ein bisher nicht im CRM vorhandener „Datensatz“ mit einem Kommentar oder einem Like auf ein Facebook-Posting, so gebietet das CRM eine vordefinierte Aktion, die immer den Vertrieb des eigenen Produktportfolios im Auge hat. Ist der „Datensatz“ ein Bestandskunde, so lässt sich über die Kundenhistorie in der Regel viel besser auf die jeweiligen Belange und Interessen eingehen, als wenn dies nur „manuell“ über die jeweilige Social Media-Plattform erfolgt.

Gleiches gilt für die Nutzung von Helpdesk-Systemen wie Zammad oder ZenDesk. Natürlich können E-Mail-Anfragen oder auch die Anfragen über Social Media-Plattformen jeweils händisch über das jeweilige Medium abgehandelt werden. Aber sobald mehr als ein Mitarbeiter involviert ist, wird es schon deutlich weniger überschaubar. Mangelnde Transparenz – sowohl auf Seiten des Space-Betreibers als auch auf Seiten des Anfragenden – sind immer ein Hemmnis. Sie raubt Zeit und Effizienz. Und im schlimmsten Fall ist sie konversionshemmend. Sprich: Der potenzielle Kunde wendet sich wegen zu langer Wartezeit an einen Wettbewerber.

Zurück zu wework, rent24, Startplatz & Co. – allein die teilweise schier unglaubliche Zahl an Fans und Followern würde die Frage aufwerfen, wie die Anbieter mit Interaktionen und Kommentaren überhaupt umgehen können. Manpower spielt sicherlich eine große Rolle. Wenn aber die Mitglieder einer tragfähigen Community zuhauf Anfragen über alle möglichen Kanäle stellen, dann erfordert dies auch einen professionellen Umgang mit diesen Anfragen, um ein Mindestmaß an Qualität und Reaktionszeit gewährleisten zu können.

Nun spielen die meisten Coworking-Spaces freilich nicht in der Liga der oben genannten. Sei es, weil sie noch nicht so lange existieren, wie beispielsweise der Kölner Startplatz (Gründung 2012), sei es, weil ihnen das bisschen an Venture Kapital fehlt, das Größen wie wework (mehrere Milliarden US-$) oder Design Offices (60 Mio. €) eingesammelt haben.

Allein deswegen und mit Blick auf das notwendige Personal, das sich um Social Media-Plattformen und –Strategien kümmern muss, dürfte es schon schwierig sein, in der gleichen Liga zu spielen. Aber ein deutlich höherer Professionalisierungs- und Automatisierungsgrad sollte in jedem Fall dazu beitragen können, mehr Mitglieder für Coworking-Spaces zu gewinnen und damit den Rentablilitätsgrad deutlich zu steigern.

Beispiele wie CoworkingCampus oder WORQS zeigen, wie die interne und externe Kommunikation schon fast zwei Jahre vor Eröffnung eines Coworking-Spaces beginnen kann (und sollte), welche Plattformen für welche Funktionen genutzt werden und wie die einzelnen Tools dabei ineinander greifen. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – mit einem begrenzten Budget und einer ebenso begrenzten Personaldecke gearbeitet werden muss.

In jedem Fall zeigt diese Arbeit, warum es wichtig ist, Social Networks besser in die Vermarktungs- und Vertriebsstrategie von Coworking-Spaces einzubinden; intern wie extern.

 


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