Corona hat die Diskussion um Homeoffice und Coworking Spaces neu entfacht. Immer mehr Firmen kündigen an, Mitarbeitern dauerhaft die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice zu bieten. Und auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil plant ein Recht auf Homeoffice.  Wobei – das sei hier nur am Rande erwähnt – aus unserer Sicht vielmehr ein Recht auf Remote Work angebracht wäre.

Ob nun der Coworking Space oder das Homeoffice der bessere Arbeitsplatz ist, das haben Barbara Frett, Personalberaterin bei Frett Work und Tobias Kollewe, Vorstand cowork AG, schon vor ein paar Monaten diskutiert. Da die Diskussion nochmal deutlich an Aktualität gewonnen hat, gibt es das Interview hier nochmal zum Nachlesen.

Frau Frett, Sie sind seit vielen Jahren klare Verfechterin des Home-Office. Warum kämpfen Sie so sehr für den Arbeitsplatz zu Hause?
Barbara Frett (BF): In Deutschland stehen wir in Sachen Flexibilisierung der Büroarbeit und insbesondere der Möglichkeit Home-Office im internationalen Vergleich noch am Anfang. Es existieren leider immer noch die altertümlichen Vorurteile, dass Mitarbeiter im Home-Office weniger produktiv sind, da sie nicht ausreichend kontrolliert werden können. Nehmen Sie dagegen die Niederlande. Dort gibt es einen Rechtsanspruch aufs Home-Office.

Ich persönlich bin überzeugt vom Konzept des Home-Office. Das hat sich in meiner jahrelangen Arbeit im HR-Bereich immer wieder gezeigt. Meiner Erfahrung nach bringt das Home-Office generell viele Vorteile. Das sind unter anderem:

– Befreiung von räumlichen Grenzen,
– Bindung von Müttern und Vätern als Arbeitskraft,
– Steigerung der Effizienz und Erhöhung der Motivation.

So gibt es Branchen, in denen es gar nicht mehr ohne den dezentralen Arbeitsplatz geht. Hier sind etwa die Außendienstmitarbeiter, die sehr weit weg von der Firmenzentrale tätig sind, oder die Softwareentwickler, die sogar in Übersee sitzen und arbeiten, beispielhaft zu nennen. Aber auch andere Branchen und Unternehmen können von einer Flexibilisierung des Arbeitsplatzes profitieren. Denken Sie nur an berufstätige Mütter und Väter. Sie können oft nur mit einem Homeoffice-Arbeitsplatz Beruf und Familie miteinander vereinbaren. Und die Unternehmen verlieren diese Mitarbeiter nicht komplett als Arbeitskraft.

Herr Kollewe, Ihnen als Vorstand des Bundesverbandes Coworking Spaces (BVCS) müsste eine solche Ansicht ein Dorn im Auge sein. Denn Homeoffice steht doch im Konkurrenzkampf zum Coworking. Oder nicht?
Tobias Kollewe (TK): Ich glaube nicht, dass es einen Konkurrenzkampf zwischen Homeoffice und Coworking gibt, und ich glaube, dass wir den auch nicht entfachen sollten. Coworking ist für die dringend notwendige Flexibilisierung unserer Arbeitswelt eine gute Lösung. Hier finden Arbeitnehmer den Arbeitsplatz, den sie für eine produktive Arbeit benötigen. Angefangen von der kompletten IT-Infrastruktur über die professionelle Raumausstattung bis zur nötigen Ruhe. Und der von Arbeitspsychologen als notwendig angesehene Austausch ist auch im Coworking-Space gegeben – oft auch noch inspirierender, als im klassischen Büro-Setting.

Fast wöchentlich eröffnen neue Coworking-Spaces in Deutschland. Dieses rasante Wachstum deckt den tatsächlichen Bedarf von Unternehmen und Wissensarbeiten. Das hat seinen Grund.

Frau Frett, was sagen Sie dazu?
BF: Natürlich kann ich nicht verleugnen, dass moderne Coworking-Spaces optimale Arbeitsplatzausstattungen und IT-Infrastrukturen bieten. Dies sind Dinge, die der Arbeitgeber einem Mitarbeiter im Home-Office natürlich in ähnlicher Weise zur Verfügung stellen muss. Ohne vernünftigen Arbeitsplatz nach neuesten Regeln und Gesetzen und einem vernünftigen Internetzugang ist kein Home-Office machbar.

Was den fehlenden Austausch mit anderen Menschen angeht, so kann ich sagen, dass ich kein Home-Office in Vollzeit empfehle. Ich empfehle maximal zwei Tage pro Woche zu Hause. Das war auch das Maximum, das ich als Personalmanagerin genehmigt habe. In diesem Modell bleibt der Austausch im Team und der soziale Kontakt zu Kollegen erhalten. Im Coworking-Space gibt es zwar andere Menschen, aber eben keine aus demselben Unternehmen – zumindest in der Regel nicht.

TK: Das kann ich so nicht bestätigen. Immer mehr Firmen entsenden für Einzelprojekte ganze Teams in Coworking-Spaces, um in einem anderen Setting anders zu denken und zu arbeiten als im gewohnten Büro. Und genauso häufig mieten Unternehmen in den Metropolregionen für ihre Teams Büros in Spaces im jeweiligen Speckgürtel an, um den Mitarbeitern das Pendeln zu ersparen. Übrigens nicht nur aus ökonomischen, sondern verstärkt auch aus ökologischen Gründen.

Wie sieht es mit der rechtlichen Situation aus? Gibt es da Unterschiede?
TK: Nun, in Deutschland gelten für jeden Arbeitsplatz gesetzliche Regelungen, zum Beispiel das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Diese und weitere Vorschriften gelten selbstverständlich auch im Home-Office und für den Arbeitsplatz im Coworking-Space.

Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihrem Bildschirmarbeitsplatz ihre Gesundheit nicht gefährden. Dabei können zum Beispiel bestimmte Vorgaben hinsichtlich der Büromöbel, der Raumgröße sowie zur Beleuchtung ebenso zu beachten sein wie Vorgaben zu Bildschirmgeräten, Tastatur und Software. Das Unternehmen muss zudem die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen überwachen und regelmäßig überprüfen. Deshalb braucht der Arbeitgeber ein Zutrittsrecht zur Privatwohnung, das er mit dem von zu Hause arbeitenden Mitarbeiter vereinbaren muss. In einem Coworking-Space lässt sich das genauso umzusetzen, jedoch ohne die Privatsphäre der Mitarbeiter zu tangieren.

Gleiches gilt natürlich auch für datenschutzrelevante Themen. Vermutlich lässt sich das in geschlossenen Bereichen von Coworking-Spaces einfacher umsetzen als im Home-Office. Zumindest ist das meine Erfahrung. Gerade Behörden stehen dem Home-Office da deutlich kritischer gegenüber, weil ihnen faktisch der Durchgriff auf den Arbeitsplatz fehlt.

Frau Frett, Sie sind eine Frau der Praxis, wie regeln Unternehmen das heute?
BF: Ich kann natürlich nur für das Homeoffice sprechen. Selbstverständlich müssen geltende Gesetze und Verordnungen, zum Beispiel zum Arbeitsschutz, von den Arbeitgebern auch am Heimarbeitsplatz eingehalten und kontrolliert werden. Das ist auch den Arbeitnehmern bekannt. Das notwendige Zutrittsrecht wird heute meistens durch eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag – oder gleich mit einem neuen Vertrag – fixiert. Übrigens zusammen mit der Datenschutzvereinbarung. Wer im Home-Office arbeiten möchte, muss auch ein paar Kompromisse eingehen und Regeln beachten.

Wer ist denn in dieser Diskussion der Gewinner – Home-Office oder Coworking?
BF: Es geht hier nicht um gewinnen oder verlieren. Es gibt einfach Szenarien im Berufsleben, die die Nutzung eines Coworking-Spaces unmöglich machen: wenn Kinder im Spiel sind. Warum möchte eine leitende Mitarbeiterin unbedingt zu Hause arbeiten? Nicht, weil die Möbel im Wohnzimmer schöner sind als die Büromöbel. Nicht, weil der Garten schöner ist als die öde Terrasse im Büro. Nein, weil sie ein oder mehrere Kinder hat und unbedingt wieder schnell einsteigen will in den Job. Familie und Beruf ist das Stichwort. Dieser Mitarbeiterin – wir können hier gerne auch die Väter einbeziehen – kann ich als Chef den Wiedereinstieg ermöglichen, indem ich ihr anbiete, von zu Hause aus zu arbeiten.

Ich selbst habe mit Managerinnen zusammengearbeitet, die abends – wenn die Kinder im Bett sind – super gearbeitet haben. In einem Fall war es sogar vom Timing her perfekt, weil die Dame Kunden in Übersee hatte, mit denen sie dann abends oder nachts telefonieren oder skypen konnte. Das ist in einem Coworking-Space nicht möglich.

Herr Kollewe, Ihre Antwort?
TK: Oh, selbst das ist heute nicht mehr unmöglich. Es gibt in Deutschland die ersten Coworking-Spaces mit Kinderbetreuung. Nehmen Sie zum Beispiel „Coworking Toddler“ in Berlin. Dort verbindet man Beruf und Kinderbetreuung: In diesem Space können Eltern in einem professionellen Umfeld konzentriert arbeiten, während ihre Babys und Kleinkinder in der Kita direkt nebenan nach einem eigenen pädagogischen Konzept in der Gruppe betreut werden. Das Modell ist in Deutschland noch relativ neu. Aber auch hier zeigt die Nachfrage, dass der Weg ein richtiger ist.

Frau Frett, Herr Kollewe, finden wir einen Konsens?
BF: Sicher, in meinen Augen wird es eine Co-Existenz zwischen Home-Office und Coworking geben. Beide Konzepte haben ihre Vorteile und Daseinsberechtigungen. Ich glaube, dass man jeden Einzelfall betrachten muss – und damit meine ich Unternehmen und Mitarbeiter. Dass auch in Deutschland der Ruf nach einem Rechtsanspruch auf Home-Office lauter wird, finde ich gut.

Ich möchte an dieser Stelle noch mal betonen, dass Home-Office nichts für jeden Mitarbeiter ist. Der/die eine oder andere braucht den Kontakt zu Kollegen und den Druck eines anwesenden Chefs. So jemand würde ohne Kontrolle und Aufsicht zu Hause völlig unproduktiv. Und es gibt selbstverständlich auch Bereiche in manchen Unternehmen, in denen das Home-Office nicht umsetzbar ist. Ich denke zum Beispiel an die Produktionsbereiche.

Ich denke, dass beide Modelle sehr gut sind. Letztendlich geht es darum, gute und pragmatische Alternativen zu schaffen. Die Kinderbetreuung in Deutschland ist nach wie vor ein riesiges Thema und ich blicke jetzt auch mal aus eigener Erfahrung in eine andere Richtung. Was ist mit der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger und der Vereinbarkeit mit dem Beruf?

TK: Mir stellt sich nicht die Frage, welche der beiden Out-of-Office-Varianten die bessere Alternative zur Arbeit im Büro ist. Wichtig ist, dass überhaupt Alternativen geschaffen werden. Flexibilisierung der Arbeitswelt heißt ja nicht, die Menschen von einem Korsett in ein anderes zu stecken. Viel mehr freue ich mich darüber, dass immer weniger Arbeitgeber Anwesenheit im Büro mit Arbeitsleistung gleichsetzen. Flexibilisierung der Arbeitswelt heißt für mich, dass sich die Arbeit – dort wo möglich – nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und nicht umgekehrt. Das kann im heimischen Büro sein oder auch in Coworking-Spaces.

Gerade im ländlichen Raum müssen Kommunen, Wirtschaftsförderer und Unternehmen Angebote schaffen, die die Möglichkeiten der Digitalisierung auch im Arbeitsbereich konsequent ausnutzen. Das erhöht auf allen Seiten langfristig die Zufriedenheit.

Vielen Dank an Sie beide.