Einstimmig berichten die Medien in den letzten Tagen, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für den Herbst einen Gesetzentwurf zum „Recht auf Homeoffice“ plant.
„Ich arbeite an einem neuen Gesetz für ein Recht auf Homeoffice, das ich bis Herbst vorlegen werde“, sagte er der „Bild am Sonntag“ am vergangenen Wochenende. „Jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt, soll im Homeoffice arbeiten können – auch wenn die Corona-Pandemie wieder vorbei ist.“
Bereits vor der Corona-Krise lag der Anteil der Remote-Worker bei rund 12%. Während der Pandemie dürfte er deutlich gestiegen sein.
Aus der Not eine Tugend machen, so der Plan des Arbeitsministers, der schon sehr konkrete Vorstellungen formuliert: „Man darf entweder komplett auf Homeoffice umsteigen oder auch nur für ein oder zwei Tage die Woche“, erklärte Heil.

Beispiel Niederlande

Vorreiter beim „Recht auf Homeoffice“ sind die niederländischen Nachbarn. Schon Anfang 2016 führten sie eine Regelung ein, die die Ermöglichung von Homeoffice forciert hat. Allerdings gehen die oft liberalen Niederländer einen deutlich zurückhaltenderen Weg als es die Berichterstattung in Deutschland bisweilen vermuten lässt. Es gibt dort bis heute keineswegs ein Recht auf Homeoffice. Vielmehr verlangt das Gesetz, dass Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers gemeinsam über die Möglichkeiten sprechen und der Arbeitgeber das Ansinnen „ernsthaft prüft“. In der Folge muss das Unternehmen jedoch keine schwerwiegenden betrieblichen Gründe nennen, um das Anliegen auf Heimarbeit abzulehen.

Heils Vorstoss geht in die richtige Richtung

Nichtsdestotrotz ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, die historische Chance zu nutzen. In den letzten Wochen haben viele Unternehmen zwangsläufig die Hürde genommen, Remote Arbeit zu ermöglichen. Sie haben gesehen, dass Produktivität von Mitarbeitern nicht zwangsläufig nur mit Anwesenheit gleichzusetzen ist. Zudem wurden vielerorts die längst überfälligen technischen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um verteiltes Arbeiten möglich zu machen.
Letztlich sind aber zwei wichtige Fragen zu stellen. Zum einen muss sich Hubertus Heil die Frage gefallen lassen, ob das „Recht auf Heimarbeit“ nicht zu einer Zwangsverpflichtung für Unternehmen führt. Vielmehr sollte sich der Gesetzgeber auch hier ein Beispiel an den Niederlanden nehmen: Ein Recht auf Prüfung durch den Arbeitgeber lässt sich legislativ verankern. Aber keineswegs eine Verpflichtung, Heimarbeit auf Wunsch des Arbeitnehmers genehmigen zu müssen.
Zum anderen geht die Idee zu kurz. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass  Homeoffice keineswegs die einzige Alternative zur Arbeit im Büro darstellt. In vielen Fällen hat sie aus unterschiedlichen Gründen als die schlechteste Alternative herausgestellt – sei es aus Gründen des Datenschutzes, des Arbeitsplatzes oder der Vereinsamung (soziale Distanz). Offenkundig ist jedenfalls, dass Heimarbeit der Arbeit im Team zumindest dann nicht zuträglich ist, wenn sie als dauerhaftes Arbeitsplatzmodell herhalten muss.

Möglichkeit zu Remote-Work statt Recht auf Homeoffice

Viel zielführender könnte es sein, statt über Homeoffice über Remote-Work nachzudenken. Vereinfacht gesagt: statt ein Recht auf Homeoffice ein Recht auf den Vertrauensarbeitsort. Arbeitnehmer entscheiden zusammen mit dem Arbeitgeber, wo sie arbeiten. In dieser Variante ergeben sich deutlich mehr Möglichkeiten. Sei es zuhause, am Strand oder zum Beispiel auch im Coworking-Space.
Insbesondere Coworking-Spaces bieten beiden Seiten deutlich mehr Spielraum, sei es in Bezug auf oben genannte Problematiken, aber auch hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit, der klaren Kostenstruktur oder auch der positiven Effekte durch Vergemeinschaftung und Kooperationen.

Coworking als bessere Möglichkeit

Tobias Kollewe, Vorstand des Bundesverbandes der Coworking Spaces in Deutschland dazu: „Gerade in den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass Coworking-Spaces eine praktikable und effiziente Alternative zum Home-Office bieten. Unternehmen und auch Arbeitsminister Hubertus Heil sollten sich mit der Thematik Coworking schnell auseinandersetzen, um die positiven Effekte, die sich in den letzten Wochen ergeben haben, nicht verpuffen zu lassen“.

Und auch seitens der Betreiber kleiner Coworking-Spaces gibt es Kritik an Heils Vorstoss: „Aus meiner Sicht und Erfahrung ist das Gesetzes-Vorhaben, ein „Recht auf Home-Office“ vorzusehen, zu kurz gesprungen. Im Ergebnis wären damit nur die Alternativen Büro oder Homeoffice möglich“, sagt zum Beispiel Thomas Wick, der im Kieler Umland den Coworking Space cobaas betreibt.

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