Coworking-Spaces: Ein Erfolgsgarant für Startups – Kapitel 2 – Theoretischer Hintergrund

 

2 Theoretischer Hintergrund

Während den Coworking Spaces in der Praxis eine mittlerweile nicht mehr wegzudenkende Rolle eingenommen haben, hat dieses neue Arbeitsmodell in der Forschung bisher eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Es gibt nur wenige Studien und in der Literatur werden Coworking Spaces vorrangig aus praktischer Sicht beleuchtet. Um ein besseres Verständnis von der Thematik zu bekommen, soll dennoch vorab ein theoretischer Rahmen und einige Definitionen formuliert werden. Dabei sollen die Begrifflichkeiten Coworking Spaces und Startups genauer beschrieben und eingeordnet werden und der Begriff des sozialen Netzwerkes erklärt und damit in Verbindung gebracht werden.

2.1 Coworking Spaces

Der Begriff Coworker wird häufig als Synonym für MitarbeiterInnen genutzt, welche in einem traditionellen Unternehmen auf derselben Hierarchiestufe arbeiten. Mittlerweile wird dieser Begriff im Zusammenhang mit Coworking Spaces für die NutzerInnen dieser Räumlichkeiten genutzt. Ähnlich wie die MitarbeiterInnen in traditionellen Unternehmen, sitzen in Coworking Spaces ebenfalls Menschen zusammen an Tischen, nutzen Meeting- und Konferenzräume, machen Kaffeepausen und tauschen Wissen aus. Nur dass diese Personen nicht von derselben, und häufig sogar von keiner Firma angestellt sind. Sie sind autonomer und unabhängiger und nicht an bestimmte Coworking Spaces gebunden (vgl. Reuschl und Bouncken 2016). Sie sind häufig sogenannte WissensarbeiterInnen, also ArbeiterInnen deren Hauptkapital ihr Wissen ist. Dabei nehmen die Coworker häufig heterogene Rollen ein und das nicht nur auf die verschiedenen Branchen bezogen, sondern auch auf deren Motivationen einen Coworking Space zu benutzen. Coworking Spaces werden meist von Freelancern, GründerInnen mit oder ohne Angestellten oder Angestellten von größeren Firmen bspw. ehemaligen Pendlerinnen genutzt, welche Coworking Spaces dann unterschiedliche Werte zuschreiben (vgl. Waters-Lynch et al. 2016). Demnach werden die Nutzer in die Rollen Utilizer, Learner und Socializer unterteilt. Dabei nutzen die Utilizer ein Coworking Space vorwiegend aufgrund der bereitgestellten Infrastruktur und Learner nutzen diese aufgrund des angesammelten Wissens und der Möglichkeit neues Wissen dort zu erlangen, während Socializer mehrheitlich Coworking Spaces nutzen, um sich mit anderen Menschen zu verknüpfen (vgl. Reuschl und Bouncken 2017).

Coworking Spaces sind damit ein aktuelles Beispiel für die Veränderung der Arbeitswelt hin zu interorganisationalen und kollaborativen Wissensarbeit.  Arbeit, welche meist unabhängige Verträge, freelancing, virtuelle Teams und Peer-Produktion beinhaltet (vgl. Spinuzzi 2012). „Co“, was so viel wie zusammen bzw. miteinander bedeutet, ist das neue Trendwort. Co-Creation, Co-Innovation oder Co-Produktion sind die neuen Unternehmensstrategien. Das klassische Arbeitnehmermodell und hierarchische Pyramidenorganisationen rücken zunehmend in den Hintergrund (vgl. Schürmann 2013, S. 12). Als Gründe für diese Entwicklung der Arbeitswelt hin zur Wissensarbeit werden in der Literatur häufig fallende Transaktionskosten und niedrige Gründungskosten genannt. Mobile Kommunikationskanäle, der flächendeckende Internetzugang und das Teilen von relevanten Gütern, wie eben von Büroräumlichkeiten, tragen ebenfalls zu diesem Wandel bei (vgl. Potts und Waters-Lynch 2017). Das Phänomen der Sharing-Economy offenbart dabei einen Bedarf an der Umgestaltung von Wertschöpfung und -steigerung, durch das Teilen und Zugang-Gewähren von bestimmten Gütern und Serviceleistungen (vgl. Hamari et al. 2015). Unternehmen wie Uber oder Airbnb sind die Vorreiter und Gewinner dieses neuen Phänomens. Aber auch die steigende Anzahl an geteilten Arbeitsplätzen und Räumlichkeiten lässt sich der Sharing-Economy zuordnen. Denn obwohl rationale WissensarbeiterInnen die aufkommenden Kosten so niedrig wie möglich halten sollten, sprich von zu Hause aus zu arbeiten, bezahlen immer mehr Menschen einen monatlichen Beitrag, um in Coworking Spaces arbeiten zu dürfen. Seit der Eröffnung des ersten Coworking Space in San Francisco im Jahre 2005 durch Brad Neuberg steigt die Anzahl stetig. So wurden 2017 weltweit rund 13.800 Coworking Spaces mit über eine Millionen MitgliederInnen gezählt (vgl. Global Coworking Survey 2017).

Coworking Spaces nehmen daher eine besondere Rolle in dem Arbeitsalltag vieler WissensarbeiterInnen ein. Sie sind zunächst eine geteilte Büroumwelt, welche meist von Freelancern mit verschiedenen Spezialisierungsgebieten genutzt wird. Dabei werden in der Literatur verschiedene Hauptgründe für die Nutzung eines Coworking Space genannt. Zunächst wird als wichtige Eigenschaft die Möglichkeit Räumlichkeiten mit Schreibtisch, Wi-Fi Verbindung zu mieten, in denen andere gleichgesinnte und unabhängige Fachkräfte ihrem Daily Business nachgehen (vgl. Gandini 2015). Garrett et al. (2014) stellen, neben den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten wie Konferenzräume und eine Küche, besonders die Wichtigkeit der Gemeinschaft heraus. Denn obwohl auch das eigene Zuhause oder Cafés häufig diese Annehmlichkeiten bieten können, mache erst die Gemeinschaft die Coworking Spaces zu einem besonderen Ort. Moriset (2014) geht noch weiter und vergleicht Coworking mit einem Lifestyle und einem gemeinsamen Spirit. Und Brown (2017) definiert Coworking Spaces als einen Dritten Ort, zwischen dem traditionellen Büro und Cafés. Hier soll das Informelle oder auch Soziale mit formalen Elementen in einer Arbeitsumwelt verbunden werden, um Menschen mit ähnlichen Einstellungen und Werten informell zu einer ähnlichen Arbeitsweise verpflichten.

Auch wenn jeder Coworking Space an sich einzigartig ist, haben sie doch bestimmte Gemeinsamkeiten. Pionier-Coworker haben im Laufe der Zeit fünf Grundwerte aufgestellt, welche alle Coworking Spaces aufweisen sollten: Kollaboration, Offenheit, Gemeinschaft, Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit (vgl. Potts und Waters-Lynch 2017). Kollaboration versteht sich dabei als Wille mit anderen zu kooperieren, um gemeinsame Werte zu schaffen. Gemeinschaft beschreibt die Zusammenkunft von Gleichgesinnten. Nachhaltigkeit verlangt nicht nur die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, sondern auch eine gewisse Geben-und-Nehmen Mentalität. Offenheit spricht die Bereitschaft zum Ideenaustausch an und Zugänglichkeit verlangt den offenen Zugang von Coworking Spaces (vgl. Schürmann 2013, S. 44). Da, bis auf diese fünf gemeinsamen Grundwerte, Coworking Spaces sehr unterschiedlich konzipiert sind, konnte man sich in der Literatur noch nicht auf eine einheitliche Klassifikation einigen. So unterscheiden Potts und Waters-Lynch (2017) Coworking Spaces zwischen Serviced Offices und Coworking Spaces.2 Reuschel und Bouncken (2016) unterscheiden zwischen kommerziellen und corporate Coworking Spaces und Kojo und Nenonen (2016) unterscheiden zwischen öffentlichen Büros, Dritten Orten, Kollaboration Hubs, Coworking Hotels und Inkubatoren.

Wie bereits angedeutet, beschäftigt sich diese Arbeit hauptsächlich mit GründerInnen und deren Netzwerke im Coworking Spaces-Umfeld. Daher werden diese im Folgenden näher beschrieben.

2.2 Startups in Coworking Spaces

Als Startup werden junge, meist innovative und noch nicht etablierte Unternehmen mit dem Bestreben ein nachhaltiges und skalierbares Geschäftsmodell zu entwickeln, bezeichnet. Meist werden diese Unternehmungen von Risikokapitalgebern unterstützt, welche Potenzial in den innovativen Produkten und Dienstleistungen sehen und sich Gewinne versprechen. Aber auch Crowdfunding, Eigenkapital, sogenannte Business Angels und Accelerator-Programme sind gängige Finanzierungsquellen. Coworking Spaces dienen, im Sinne der Sharing-Economy, als innovative Geschäftsmodelle für Startups. Besonders durch deren Abdecken des Bedarfs nach flexiblen und ansässigen Arbeitsmöglichkeiten, Möglichkeiten zum Austausch und Hilfestellungen für GründerInnen (vgl. Schramm und Carstens 2014).

Zahlreiche Coworking Spaces beheimaten zudem sogenannte Inkubatoren. Diese sollen bei der Unternehmensgründung helfen, in dem der Zugang zu unterschiedlichen Services und Ressourcen gewährleistet wird (vgl. Global Coworking Survey 2017). Besonders durch angebotene Netzwerke erhalten Startups intangible Ressourcen wie Wissen und Legitimität. Diese Ressourcen sollen Startups in der Ideen-, Planungs- und Entwicklungsphase helfen und damit einfacher zum Erfolg führen. Der Erfolg eines Startups wird dabei bspw. durch die Performanceindikatoren wie Firmengröße und -wachstum, durch Beziehungen, durch soziales Kapital oder durch Wissen über den Markt und Strategien gemessen, aber auch durch tangible Ressourcen wie finanzielle Förderung oder Büroräumlichkeiten. Der Einfluss der direkten Vorteile von netzwerkbasierten Inkubatoren auf die Performance eines Startups ist in der Literatur jedoch noch unklar (vgl. Eveleens et al. 2017). Daher soll sich im Folgenden mit der Relevanz von Netzwerken für Startups im Allgemeinen und dann in Bezug auf Coworking Spaces auseinandergesetzt werden.

2.3 Rolle von Netzwerken für Startups

Besonders die Relevanz eines passenden Netzwerkes für JungunternehmerInnen wird in der Literatur immer wieder hervorgehoben (u.a. Eveleens et al. 2017; Witt 2004). Nach der Netzwerk-Erfolgs Hypothese besteht eine positive Beziehung zwischen Netzwerkaktivitäten von GründerInnen und deren Unternehmenserfolg. Der Grundgedanke dahinter ist die Theorie der sozial eingebetteten Verbindungen (ties), welche GründerInnen erlauben benötigte Ressourcen durch private sowie Geschäftsbeziehungen günstiger als auf dem Markt zu bekommen. So können GründerInnen mit größeren und vielfältigen Netzwerken häufig auf eine größere Unterstützung zählen, als Startups mit kleineren Netzwerken. Daher seien vernetzte Startups häufig erfolgreicher (vgl. Witt 2004). Ein soziales Netzwerk existiert dabei nicht an sich, sondern ist vielmehr ein Konzept, welches Phänomene von sozialen Interaktionen zwischen Menschen bis hin zum Güterfluss zwischen Ländern betrachtet (vgl. Hennig et al. 2012).

Ein Netzwerk besteht aus einzelnen Knoten (Akteuren) und Verbindungen zwischen diesen Knoten (Dyaden), welche als Ganzes die Netzwerkstruktur bilden. Je nach Betrachtungsweise, sind die GründerInnen dabei, der Mittelpunkt des Netzwerkes und sind verbunden mit anderen Personen wie Familienmitgliedern, Freunden, andere GründerInnen, GeschäftspartnerInnen oder Kontaktpersonen an Institutionen wie Universitäten und etablierten Unternehmen (vgl. Witt 2004). Entscheidend für den Erfolg eines jungen Unternehmens ist hierbei nicht zwangsweise die quantitative Zahl an Beziehungen, sondern vielmehr die Qualität, also ob das Netzwerk die Ziele des Unternehmens unterstützen kann. Genauso hängt der Erfolg davon ab, welche Position das Startup in dem eigenen Netzwerk einnimmt. Verbindungen zu zentralen Partnern gelten als wertvoller für den Firmenerfolg, als Verbindungen zu peripheren Kontakten. Zudem macht es auch einen Unterschied ob die PartnerInnen des Startups miteinander verbunden sind, oder ob das Startup eine Broker Rolle einnimmt. 3 Die Einbindung in ein Netzwerk ist besonders in der Förderungsphase und in der Phase des frühen Wachstums essentiell, da hier der Zugang zu Ressourcen noch limitiert ist. Es müssen erst neue Rollen und Systeme gebildet werden sowie das Vertrauen dritter Parteien gewonnen werden. An diesen Herausforderungen scheitern bereits zahlreiche Startups (vgl. Rank 2014). Inkubatoren und Coworking Spaces können passende Netzwerke für Startups generieren und tragen dabei zum Erfolg eines Startups bei.

Aber nicht nur in Bezug auf das Bilden eines Netzwerkes im Sinne der Netzwerktheorie bieten Coworking Spaces Vorteile. Potts und Waters-Lynch (2017) weisen darauf hin, dass dort ebenso eine Lösung für ein Koordinationsproblem unserer heutigen wissensbasierten Arbeitsweise geschaffen wird. Die Autoren sprechen von so genannten Schelling-Points, welche als Informationskoordination zwischen WissensarbeiterInnen dienen. Denn häufig wissen die unabhängig arbeitenden WissensarbeiterInnen nicht, wo genau sie ergänzende Informationen und Antworten auf Fragen bezüglich ihres Startups oder ihrer Arbeit finden oder mit welchen Personen es wichtig wäre, sich in Verbindung zu setzen. Genauso oft ist keine direkte Kommunikation möglich, da sich die ArbeiterInnen untereinander noch nicht kennen und eine große Unsicherheit über die Wissensgebiete anderer Personen vorherrscht. Daher benötigt es eine taktische Koordination auf Basis von unausgesprochenen Annahmen mit deren Hilfe Entscheidungen koordiniert werden können, ohne direkt kommunizieren zu müssen. Daher bemisst sich der Wert eines Coworking Space vielmehr in seiner Funktion als Schelling-Point, um das Finden von relevanten Informationen zu erleichtern. Die Schelling-Points wurden von Schelling (1957) eingeführt, um das Problem der Auswahl bestimmter Gleichgewichte in Koordinationsspielen zu definieren. Ein Koordinationsspiel entsteht dann, wenn der Payoff eines jeden Agenten davon abhängt, ob andere MitspielerInnen die gleichen Entscheidungen treffen. Dabei spielt gegenseitiges Vertrauen eine wichtige Rolle. Obwohl Schellings Koordinationsproblem ursprünglich vor dem Hintergrund der Abwesenheit von Kommunikationsmöglichkeiten definiert wurde, kann es auch genutzt werden vor dem Hintergrund der Unsicherheit mit wem man sich austauschen kann.

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