Coworking-Spaces: Ein Erfolgsgarant für Startups – Kapitel 3 – Annahmen zu Besonderheiten von Coworking Spaces

 

3 Annahmen zu Besonderheiten von Coworking Spaces

Doch wie genau können Coworking Spaces nun zum Erfolg von Startups beitragen? Nachdem die theoretischen Hintergründe erläutert wurden, soll diese Frage nun konkret beantwortet werden. Dafür sollen die Besonderheiten von Coworking Spaces und ihre Relevanz für den Arbeitsalltag herausgearbeitet und in einzelne Kategorien zusammengefasst werden. Zu jeder dieser Kategorien wurden Annahmen gebildet, welche die Besonderheiten von Coworking Spaces widerspiegeln. Diese sollen im Folgenden mit Hilfe von bestehender Literatur und ergänzend mit Experteninterviews geprüft werden.

3.1 Erstellen der Annahmen

Die Überlegung für die Erstellung der Annahmen war hierbei, dass die Analyse von Coworking Spaces anhand verschiedener übergreifender Kategorien erfolgen sollte. Dafür wurde zunächst ein Überblick über das noch recht junge Phänomen Coworking Spaces geschaffen. Solch ein entstehendes Phänomen zu konzeptualisieren stellt sich meist als schwierig heraus, da zahlreiche Diskurse gleichzeitig geführt werden. So wird ein Diskurs in der Coworking Industrie durch Konferenzen, Publikationen und Austausch über Gründungsszenen-Nahen Plattformen an sich geführt. Ein weiterer Diskurs wird aus akademischer Sicht mit Hilfe von, meist explorativen, Studien geführt (vgl. Jakonen et al. 2017). Im Folgenden sollen beide

Diskursstränge mit aufgenommen werden, um ein ganzheitliches Bild zu schaffen. So wurde vorab, bevor es zur gezielten Literaturrecherche kam, eine oberflächliche Internetrecherche rund um den Bereich „Arbeiten im Coworking Space“ durchgeführt. 4 Nach Durchsicht der Internetquellen, wurden anhand der unterschiedlichen Aspekte und Aussagen Überschneidungen in fünf verschiedenen Bereichen ermittelt. Anhand dieser Überschneidungen wurden Kategorien gebildet, welche die Grundlage der Analyse bilden und im Folgenden detailliert beschrieben werden.

Die erste Kategorie bezieht sich auf die Kosten und Ausstattung in Coworking Spaces. In nahezu jedem Blog, jeder Homepage oder Literatur kamen immer wieder die Vorteile der Kostenersparnisse und der modernen Ausstattung zur Sprache. Auf dieser Grundlage ist die erste Annahme: „Durch die Arbeit in einem Coworking Space können junge Unternehmen bereits ein professionelles Auftreten gewährleisten, ohne hohe Investitionskosten zu tätigen oder Verträge über lange Laufzeiten abschließen zu müssen.“

Die zweite Kategorie bezieht sich auf die Motivation und Produktivität im Coworking Space. Klassische Arbeitsplatzmodelle sind für die Zielgruppe der Coworking Spaces keine direkte Option. Es boten sich in der Vergangenheit lediglich, wie bereits im Vorfeld beschrieben, Home-Office, Bars, Restaurants oder, in seltenen Fällen, Bürogemeinschaften als Arbeitsplatzalternativen an. In diesen Szenarien ist jede/r mehr oder weniger auf sich selbst gestellt bzw. einer eher unproduktiven Arbeitsatmosphäre ausgesetzt mit einer Vielzahl von Störfaktoren, wie beispielsweise in Bars oder Restaurants. Daher lautet die zweite Annahme: „Mit anderen in einem Coworking Space zu arbeiten fördert die Motivation und Produktivität durch eine zielgerichtete aber angenehme Arbeitsatmosphäre.“

Wie bereits im vorherigen Teil der Arbeit angedeutet ist die Zeit der Eigenbrötler vorüber, welche allein im dunklen Kämmerchen neue Innovationen schaffen oder ihrer Kreativität freien Lauf lassen. In Coworking Spaces geht es, wie der Name schon sagt, um Zusammenarbeit. Die Kontakte zu Coworkern aus unterschiedlichsten Branchen fördern „out-of-the-box“ Ideen und helfen dem zunehmenden Innovationsdruck standzuhalten. Daher die Annahme: „Die Arbeit in einem Coworking Space mit Unternehmen aus verschiedensten Bereichen inspiriert zu neuen Denkansätzen.“

Networking stellt das Herzstück und absolute Verkaufsargument eines jeden Coworking Space dar. Somit ist es einer der Hauptaspekte eines jeden Nutzers im Coworking Space zu Arbeiten. Sowohl für den beruflichen Erfolg, als auch die Work-Life-Balance werden soziale Interaktionen im Arbeitsumfeld immer wichtiger. Ob nun ein privater Plausch in der Teeküche oder der berufliche Austausch bei einem Coworking Event, die Arbeit im Coworking Space ermöglicht es jedem/jeder ein umfangreiches Netzwerk aufzubauen, über verschiedenste Kanäle mit anderen in Kontakt zu treten und vernetzt zu bleiben. Die Annahme zu Networking im Coworking Space lautet daher: „Coworking Spaces bieten eine außerordentlich gute Möglichkeit mit anderen Unternehmern in Kontakt zu treten, in Kontakt zu bleiben und ein großes Netzwerk zu bilden.“

Die fünfte und letzte Kategorie Flexibilität wird im späteren Verlauf der Arbeit nicht gesondert behandelt. Sie steht als Oberbegriff allen anderen Kategorien übergeordnet. Flexibilität ist, neben dem Networking, die Kernbesonderheit der Coworking Spaces und zieht sich durch jeden der oben genannten Bereiche. Ob es um die weitere Anmietung von Arbeitsplätzen, die Verfügbarkeit von Konferenzräumen oder die Kooperation mit anderen geht, Flexibilität zieht sich durch den gesamten Arbeitsalltag von Coworkern.

3.2 Datenerhebung: Leitfadengestütztes Experteninterview

Die qualitative Befragung ist, neben der teilnehmenden Beobachtung, eine der beliebtesten Methoden in der empirischen Sozialforschung (vgl. Lamnek 2010, S. 301). Ziel ist es, dass die forschende Person, mit ihrem subjektiven Wahrnehmungsempfinden, neue Erkenntnisse hinsichtlich des untersuchten Phänomens gewinnt. Die Datenerhebung erfolgte aufgrund des zeitlich beschränkten Rahmens dieser Arbeit, durch die Durchführung von insgesamt zwei Leitfadeninterviews. Wie Strübing (2013, S. 92) beschreibt lässt das Leitfadeninterview eine offene Gesprächssituation zu, obgleich es durch einen zuvor erstellten Interviewleitfaden mit Leitfragen eine gewisse Grundstruktur mit sich bringt. So soll im Interview mit hinreichender Zuverlässigkeit eine Reihe von Themen zur Sprache kommen, um damit das Forschungsthema umfangreich zu erschließen.

Der Interviewleitfaden wurde in Anlehnung an das SPSS-Prinzip nach Helfferich (2011) erstellt. Dieses zeichnet sich durch vier Schritte aus: Zunächst werden alle Fragen, die hinsichtlich der Forschung von Interesse sind, gesammelt. In einem zweiten Schritt werden diese geprüft. Hierbei werden Fragen auf die eine ʹJa-ʹ bzw. ʹNein-Antwortʹ möglich ist umformuliert, um einen Gesprächsfluss zu garantieren. Der dritte Schritt dient der Sortierung der Fragen. Schließlich erfolgt durch die Subsumierung eine Zusammenfassung auf einige essentielle Fragen. Im Falle dieser Forschung stellt der Interviewleitfaden die oben genannten Kategorien und deren Annahmen dar, anhand derer das qualitative Experteninterview aufgebaut wurde.

Das Vorgehen während der Interviewsituation gestaltete sich dabei so, dass nach einer Smalltalk-Phase die erste Frage darauf bedacht war, einen Erzählstimulus zu setzen. Jede der beiden Interviewsituationen gestaltete sich in ihrem Verlauf unterschiedlich, weshalb die Fragen nicht immer in der zuvor überlegten Reihenfolge gestellt wurden. Vielmehr wurde auf eine flexible Handhabung des Interviewleitfadens geachtet, dessen Leit- und Ergänzungsfragen der jeweiligen Kategorie lediglich der Orientierung dienten. Das Interview wurde somit durch seine Selbstläufigkeit und Natürlichkeit gesteuert und durch die InterviewerIn mittels Nachfragen sowie Steuerungs- und Kontrollfragen ergänzt. Dies ermöglichte die Fokussierung auf die interviewte Person, wie auch die Wahrnehmung der Rolle des „aktiven Zuhörers“ (vgl. Helfferich 2011, S. 90f). Ferner konnte aufgrund der Audio-Aufnahme auf das Verfassen von Notizen verzichtet werden, wodurch möglicherweise die Interviewsituation beeinflusst und die Aufmerksamkeit beeinträchtigt worden wäre. Die Aufnahme erfolgte mit dem Einverständnis der untersuchten Personen. Auf das Transkribieren wurde aufgrund der bereits erwähnten knappen zeitlichen Ressourcen verzichtet, jedoch die Audio-Aufnahmen genutzt, um eine authentische und intersubjektiv nachvollziehbare Reproduktion der Situation zu gewährleisten.

Die Auswahl der interviewten Personen geschah anhand folgender Überlegungen: Zunächst sollten die Einblicke aus Nutzerseite, also die persönlichen Erfahrungen und Meinungen eines Coworkers mit den Annahmen abgeglichen werden. Daher wurde das erste Interview mit Moritz B., einem Bekannten der Autorin, durchgeführt. Er ist ein Webdesigner und wohnhaft in Freiburg. Er gründete nach dem Studium mit zwei Freunden ein Unternehmen in Karlsruhe, arbeitete dort in dem Coworking Space Perfekt Future, um dann aus familiären Gründen nach Freiburg zu ziehen und in der Lokhalle bzw. im Grünhof zu arbeiten.

Die Auswahl des zweiten Interviewpartners erfolgte auf Grundlage der Literaturrecherche. Denn nach Brown (2017) spielt das Management und explizit der Host eines Coworking Space eine entscheidende Rolle für das Aufbauen eines Netzwerkes. Tobias Kollewe ist nicht nur Gründer und Vorstand der cowork AG, die bei der Gründung von Coworking Spaces helfen, sondern ist vor allem auch Vorstand der German Coworking Federation. Durch seine Tätigkeit gepaart mit der mehr als zehnjährigen Erfahrung mit NutzerInnen, AnbieterInnen und deren Hosts besitzt Tobias Kollewe ein umfangreiches Wissen rund um Coworking Spaces in Deutschland. Zwar ist er nicht direkt in die Betreuung von Startups involviert, weiß aber aus eigener Erfahrung um die Relevanz eines gut ausgebauten Netzwerks für den Erfolg von JungunternehmerInnen. Darüber hinaus verfügt er über Kenntnisse wie ein solches Netzwerk aufgebaut werden kann und welch wichtige Rolle ein jeder Coworking Host dabei einnimmt.

Das ausgewählte Setting für das Interview mit Moritz B. war die Lokhalle in Freiburg. Die ermöglichte den Autoren Einblicke in den Arbeitsalltag in einem Coworking Space zu gewinnen und zugleich bot dieses Setting den Vorteil, dass sich die interviewte Person in einer gewohnten Umgebung befand und wohlfühlte. Das zweite Interview, mit Tobias Kollewe wurde aufgrund der räumlichen Distanz per Skype geführt. Beide Interviews dauerten jeweils zwischen 30 und 40 Minuten.

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