Studio Neubrunn: Kapitel 2 – Konzept + Genossenschaft

2. Konzept + Genossenschaft

Zentralisierung
Zentralisierung

Zentralisierung der Kleingewerbe

Aus diesem versteckten Potenzial leitet sich unsere Idee ab, die bestehenden Kleingewerbe zu vereinen und diese im Dorf zu zentralisieren, um diesen eine neue Präsenz im Ortskern zu geben. Dabei soll ein rechtlicher Zusammenschluss die Organisation der Räumlichkeiten und bürokratische Arbeiten den Nutzern abnehmen, sodass diese sich vollständig auf die Ausübung ihrer Tätigkeit fokussieren können. Zusammen mit weiteren möglichen Leistungen wie das Angebot von Fortbildungen, eines Mittagstisches oder die Vermarktung produzierter Produkte, entsteht eine den Dorfbewohnern zugängliche Infrastruktur, welche auch langfristig die Bildung neuer Unternehmen/Kleingewerbe begünstigen soll.
Die Konzentration an einem Ort kann einerseits wichtige Synergieeffekte ermöglichen, die neue Arbeitsformen etablieren können, und führt andererseits zu einer Belebung des Ortskerns.


Genossenschaft

Als möglichen rechtlichen Verbund halten wir eine eingetragene Genossenschaft für eine geeignete Option.
Das Prinzip einer Genossenschaft ist von Grund auf solidarisch veranlagt. Die Unternehmensform geht explizit auf die individuellen Interessen der Mitglieder ein und kann gleichzeitig gesamtwirtschaftlich agieren, ohne hohe Anforderungen an Gewinne oder Rendite zu verfolgen. Sie hilft aber den Mitgliedern durch den Zusammenschluss in der Masse, sich wieder auf dem Markt behaupten zu können. Die Mitglieder einer Genossenschaft beteiligen sich zum Eintritt in die Genossenschaft anteilig und sind daher mehr als Miteigentümer zu verstehen, die verantwortungsvoll über ihren „Besitz“ mitbestimmen und die Gemeinschaft stetig mitformen. Die interne Struktur ist dabei basisdemokratisch angelegt, sodass jedes Mitglied, unabhängig von der Höhe der Anteile, über das gleiche Stimmrecht verfügt. Gerade aus finanzieller Sicht ergibt sich hier ein enormer Vorteil, da Sponsoren die Genossenschaft großzügig unterstützen können, die Souveränität aber beim Konsens der Mitglieder bleibt.
Die Mitglieder erhalten individuell gegen einen geringen Beitrag den Zugriff für gewisse Leistungen der Genossenschaft (z.B. kostengünstige Miete für die Nutzung der geteilten Räumlichkeiten, vgl. unten), konform können mögliche Gewinne z.B. aus der Miete von externen Nutzern mittels der genossenschaftlichen Rückvergütung wieder an die Mitglieder verteilt werden.
Zudem gilt die Genossenschaft als eine sehr insolvenzsichere Unternehmensform aufgrund der regelmäßigen Kontrolle durch einen unabhängigen Prüfverband. 


Coworking im ländlichen Raum

Das Konzept der geteilten Räumlichkeiten in Neubrunn ähnelt stark der Idee eines Coworking Spaces im ländlichen Raum. Diese sind oft zugeschnitten auf die städtischen Vorstellungen eines Idylls und bieten neben der Arbeitsinfrastruktur vielseitige Möglichkeiten für Arbeits- und Freizeitaktivitäten in Innen- und Außenraum für vor allem externe „Arbeitstouristen“ aus der Stadt an. Die Folge kann die Separierung der bodenständigen Dorfgemeinschaft von der progressiven Coworking-Community sein.


Durchmischung

Die Neubrunner Gewerbescheunen sollen dabei eine möglichst hohe Anzahl an Personen im Dorf thematisch ansprechen und nicht nur den Kleingewerbe Betreibern vorbehalten sein. Die Durchmischung und Verneinung von konträren Nutzern verschiedener Branchen soll sowohl das Herausbilden einer Parallelgesellschaft nachhaltig verhindern als auch Synergieeffekte weiter fördern. Die Integration von Externen Arbeitenden schien uns unter der Prämisse des Austausches zwischen Stadt-u. Landbevölkerung ebenso mehr als Potenzial, dessen beschriebene Herausforderungen eingegrenzt werden müssen.  


Nutzergruppen der Gewerbescheunen

Grundlegend auf den Durchmischungs-Ansatz wurden die möglichen Nutzergruppen in Neubrunn definiert und in Relation zu den Leistungen der Gewerbescheunen Neubrunn gestellt.

1.Unbeschäftigte / Dorfbewohner

Allgemein: Alle, die in Neubrunn die Leistungen eines Zusammenschlusses in keinem Beschäftigungsverhältnis nutzen. Z.B. Rentner, Hobby-Bastler, Personen in Reproduktionsarbeit, in Teilzeit Arbeitende, die neben ihrer eigentlichen Erwerbstätigkeit sich ein zweites Standbein aufbauen möchten (z.B. in Form eines Kleingewerbes)
in Neubrunn: Eine etablierte Infrastruktur soll Raum zum Ausprobieren und Entdecken in verschiedenen Bereichen schaffen und Synergieeffekte hervorrufen. 

2.Kleingewerbe

Allgemein: Neben- / Teilzeitbeschäftigungen, die aktuell mit geringer (räumlicher) Infrastruktur in eigenen Privathäusern ausgeübt werden. Um von der Umsatzsteuer befreit zu sein, darf ein Höchsteumsatz von 17.500 Euro pro Jahr nicht überschritten werden. Die Gewerbesteuer fällt ab einem Umsatz von 24.500 pro Jahr an.
in Neubrunn: u. a. Dienstleistungen im Bereich nicht med. Gesundheit / Hygiene, Handel mit alltäglichen Gütern, produzierende/dienstleistende Handwerke, Versicherungsvertreter

3.Gewerbe

Allgemein: Bestehende (Klein-)Unternehmen im Dorf, die bereits eine ausreichende Infrastruktur (Arbeitsräume und Arbeitsmittel) außerhalb des Wohnraumes aufweisen.
in Neubrunn: v. a.. dienstleistende Handwerksunternehmen in der Baubranche, Metallproduktion, KFZ-Branche

4.Arbeitnehmer

Allgemein: In Home-Office arbeitende ortsansässige Arbeitnehmer, die bei den großen Arbeitgebern der Umgebung beschäftigt sind.
in Neubrunn: Automobilzuliefer, Anlagentechnik, Rohrproduktion

5.Externer Touristen

Allgemein: In Home-Office arbeitende Arbeitnehmer, Freiberufler, oder Gründer aus der Stadt, die temporär einen Arbeitsplatz/-raum mieten können.
Anreize schaffen, die Nähe zur Natur und die Entsagung vom Geschwindigkeit der Stadt in Neubrunn.
in Neubrunn: Handel / Kreativ- und Kulturbranche / Digitalbranche

 

Mögliche Leistungen einer Genossenschaft

Der gemeinschaftlich organisierte Verbund kann z.B. durch eine Genossenschaft gewisse Leistungen seinen Mitgliedern zur Verfügung stellen. Ganz nach dem genossenschaftlichen Prinzip sollen hierbei die Interessen/Bedürfnisse der Mitglieder im Vordergrund stehen. Das bedeutet, dass je nach Wunsch der Mitglieder mehr oder weniger Leistungen in Anspruch genommen werden können. Es gilt weiterhin genossenschaftsintern über das Angebot abzustimmen und je nach Miteigentümer Schwerpunkte herauszuarbeiten.  

Ein kleines Spektrum möglicher Leistungsbeispiele für das Dorf Neubrunn werden fortlaufend dargestellt und kurz mittels Beispielen verschiedener Genossenschaftsarten und bereits gegründeter Genossenschaften erläutert. 


a. Verwaltung und Akquise

Die Teilung von externen administrativen Dienstleistungsfirmen, die z. B. Buchhaltungsaufgaben oder die Akquise neuer Aufträge für die Unternehmen übernehmen.
Diese Art von Leistung kommt meistens bei Dienstleistungsgenossenschaften, wie der „HausGemacht eG“ (München) oder Taxi-Genossenschaften vor.

b. Fort-/Weiterbildung

Fort-/ Weiterbildungsmaßnahmen werden für die Mitglieder regelmäßig organisiert, um diese gegenüber der stetigen Schwankungen des aktuellen Arbeitsmarktes resilient aufzustellen. Es gilt ebenso Synergieeffekte durch internen, interdisziplinären Austausch zu fördern. Bei meisten Coworking Spaces sind die Organisation von Seminaren oder Workshops Bestandteil des Angebots. 

c. Gastronomie

Das gastronomische Angebot auf dem Gelände des Morgenroths, bietet einen Mittagstisch für alle Dorfbewohner und die in den Gewerbescheunen Arbeitenden an. Die Dorfbewohner können freie Zimmer in Ihren Privathäusern Externen gegen Bezahlung  als Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung stellen. Ein Beispiel für eine gemeinschaftlich organisierten Betrieb wäre die „Mein Laden Falkenau eG“.

d. Räumlichkeiten/ Arbeitsmittel

Büroarbeitsräume, als auch multifunktional nutzbare Räume für dienstleistende Gewerbe werden zusammen mit den nötigen Arbeitsmitteln auf dem Gelände des Morgenroths zur Verfügung gestellt und gemeinschaftlich geteilt. Beispielhaft sind (Wohnungs-) Baugenossenschaften oder Coworking Spaces, wie die „Denkerhaus eG“.

e. Vermarktung von Produkten

Das Marketing der von den Kleingewerben oder Einzelpersonen hergestellten Produkte wird von der Genossenschaft übernommen. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Gewinne werden den betreffenden Mitgliedern anteilig mittels der genossenschaftlichen Rückvergütung zurückgezahlt. Beispiele finden sich meist in der Landwirtschaft, z.B. „Absatz- und Verwertungsgenossenschaften wie die für Obst- und Gartenbauerzeugnisse Igensdorf e. G“. Bei Produktivgenossenschaften übernimmt die eG die Rolle des Unternehmens, welches die Mitglieder anstellt, wohingegen Produktionsgenossenschaften die Produkte eigenständiger Firmen vermarkten.

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