Der Pioneer Park in Hanau bietet als „Quartier der Zukunft“ nicht nur Wohnraum, sondern auch Gewerbeflächen, Gastronomieangebote, soziale Einrichtungen und Möglichkeiten für neue Arbeitskonzepte. Gleichzeitig sorgen neue Mobilitätskonzepte für weniger Autoverkehr. Neben einem vielseitigen Quartier entsteht hier ein Vorbild für die „Stadt der kurzen Wege“.
Kurze Wege. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastronomie und Kinderbetreuung – alles in einem Quartier. Genau das ist das Konzept im Pioneer Park in Hanau. Auf einer Fläche von knapp 50 Hektar, einem alten Kasernengelände, bietet das Bauprojekt mehr als 1.600 Wohneinheiten in Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern sowie Miet- und Eigentumswohnungen, eine Kita, eine Grundschule, verschiedenste Gewerbeflächen (darunter den Coworking Space PioneerMakers), Gastronomieangebote, ein Ärztehaus und ein Hotel. Verschiedene Wohnformen treffen hier auf Grünflächen, Gemeinschaftsplätze und Cafés. Denn die Vielfalt stand hier von Anfang an im Fokus der Planung, um ein lebendiges Quartier mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen.
Mehr als ein Wohngebiet für Pendler
Angeordnet ist alles in einer halbrunden Fächerstruktur – basierend auf der vorherigen Form der alten Kaserne und dem Verlauf der dortigen Eisenbahn. Man entschied sich hier ganz bewusst, nicht einfach nur ein Wohngebiet zu bauen, sondern auch gewerbliche Nutzungen einzustreuen, erklärt Dr. Marc Weinstock. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei der BIG-BAU Projekt- und Stadtentwicklung, die gemeinsam mit der Stadt Hanau das Quartier entwickelt hat und aufbaut. „Gewerbeflächen sind für so ein Quartier in der Tat eher ungewöhnlich. Trotzdem haben wir hier die Randbebauung als urbanes Quartier gestaltet. Das lässt Gastronomie, Gewerbe und Wohnen zu.“ Zu den Gewerbeflächen gehört auch der Coworking Space PioneerMakers. Er ermöglicht es noch mehr Menschen aus dem Quartier, wohnortnah zu arbeiten, ohne dass sie im Homeoffice bleiben müssen. Denn viele Menschen pendeln von Hanau aus zu ihren Arbeitgebern, vor allem nach Frankfurt.
Hanau als Standort für ein neues innovatives Quartier ist bei näherer Betrachtung durchaus sinnvoll. Frankfurt am Main hat zu wenig Wohnraum und keine Flächen mehr, um neuen zu schaffen. Westlich von Frankfurt liegt Wiesbaden, nördlich die Taunusgemeinden, in denen aber wenig neue Baugebiete ausgewiesen werden. Südlich liegt der Flughafen. Letztlich bleibt für neue Wohngebiete nur der Osten – hier bietet sich Hanau mit wirtschaftsfreundlicher Politik an. Es folgte ein schnelles Genehmigungsverfahren, um auf dem alten Kasernengelände bauen zu dürfen. „Daran haben wir gemerkt, dass es der Stadt wirklich ernst ist und sie das Projekt vorantreiben wollen“, erzählt Marc Weinstock. So entstand zunächst der Plan eines vielfältigen Wohnquartiers mit vielfältigen Wohnformen für unterschiedliche Preisklassen. Bald kam auch die weitere Entwicklung: „Irgendwann schrieb die FAZ, dass der Pioneer Park ein tolles Quartier sei, aber Gastronomie und der eine oder andere Arbeitsplatz fehlen. Wir hatten noch 25.000 m2 freie Nutzflächen in den denkmalgeschützten Bestandsgebäuden, also haben wir dort einen Coworking Space und Gastronomie angesiedelt.“ Das Konzept zieht Unternehmen an, schafft neue Arbeitsformen und macht das Quartier noch lebendiger. Insbesondere der Coworking Space ermöglicht es Angestellten, Selbstständigen und Freelancern, aber auch Studierenden, wohnortnah zu arbeiten. Sie finden innerhalb des Quartiers eine professionelle Arbeitsumgebung, die sie als Homeoffice-Alternative nutzen können. Gleichzeitig sind sie nicht gezwungen, in die nächstgrößere Stadt zu pendeln.
Neues ausprobieren in der Stadt der kurzen Wege
Der Spirit des Quartiers ist generell: Neue Dinge ausprobieren. So ist alles hochmodern, von CO2-armer Wärme- und Stromversorgung über ein schnelles Glasfasernetz, an das jede Wohneinheit angeschlossen wurde und einer guten Infrastruktur für E-Mobilität bis hin zu Car- und Bike-Sharing. Das Quartier wurde sogar als größter E-Mobilitäts-Hub Europas bezeichnet. Aktuell werden insbesondere die Lasten- und E-Bikes gut angenommen. Familien, die mehrere Autos haben, werden durch das Konzept und die kurzen Wege langsam an Bike- und Car-Sharing herangeführt. Das Ziel: Auf lange Sicht sollen die Menschen im Quartier weniger eigene Autos besitzen und nutzen, da diese überflüssig werden.. „Auch Dank der verschiedenen Städtebauförderprogramme vom Bund und dem Land Hessen hatten wir hier die einmalige Chance, von Anfang an neue Wege in Sachen Klimafreundlichkeit, Nachhaltigkeit und zeitgemäßer Mobilität zu gehen“, erinnert sich Marc Weinstock an die Anfänge der Entwicklung.
Von der 15-Minuten-Stadt, über die aktuell oft gesprochen wird, ist Marc Weinstock nicht zu 100 % überzeugt. „Ehrlich gesagt: Wollen wir immer nur in unserer Blase sein? Eine Stadt lebt ja von Vielfalt und davon, dass man eine reichhaltige Kultur hat. Wenn man die Leute immer in ihre Glocke sperrt und sie ALLES in 15 Minuten erreichen können, spart das zwar Verkehr, was super ist, aber es entstehen viele Mikro-Quartiere. Deswegen bin ich eher für die Stadt der kurzen Wege. Ob das alles in 15 Minuten erreichbar ist, sei dahingestellt. Das Leitbild ist aber, dass wir Individualverkehr insbesondere mit Verbrennern reduzieren wollen.“
Auch der soziale Aspekt ist ein anderer als im klassischen Wohnquartier. Durch verschiedene Begegnungsflächen steigt auch die Aufenthaltsqualität außerhalb des eigenen Grundstücks. „Durch die Gemeinschaftsflächen soll ein neues buntes Leben entstehen“, erklärt Marco Weinstock. Allerdings gibt er zu bedenken: „Dafür muss man einiges tun.“ Um Vernetzung im Quartier stattfinden zu lassen, braucht es immer einen kleinen Anstoß. „Eigentlich ist es egal, wer das macht. Das kann die Hausverwaltung sein, der Ortsbeirat, die Kita, die Stadt selbst, die Gastronomie oder auch ein Event in einer Fläche wie dem Coworking Space, der das Thema Vernetzung ja sowieso mitbringt.“
Quartiersentwicklung für neue Formen der Work-Life-Balance
„Was wir machen, war 2018, als wir angefangen haben, total innovativ“, erinnert sich Marc Weinstock. „Vor allem, weil wir die Stadtentwicklung mit Infrastruktur wie Wärme- und Energieversorgung und Glasfaser verknüpft haben. Ich denke, inzwischen ist das Standard geworden. Insgesamt findet ein großes Umdenken statt, auch auf die sozialen Aspekte bezogen. Wo wir auch hinkommen für neue Projekte, ist immer die soziale Infrastruktur das erste Thema.“ Und diese entsteht vor allem durch die Belebung des Quartiers und die daraus resultierenden Begegnungen und Vernetzung. Zusätzlich gewinnt die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zunehmend an Bedeutung. Dass Wohn- und Arbeitskonzepte daher immer öfter gemeinsam gedacht und umgesetzt werden, zeigen neben dem Pioneer Park auch Projekte wie GESOWORX in Berlin. Auch dort werden Wohn- und Gewerbeflächen vereint – allerdings auf weitaus kleinerem Raum als in Hanau. Dennoch sorgen sie für eine sich wandelnde Quartiersentwicklung und ermöglichen ganz neue Formen der Work-Life-Balance. Diese Entwicklung wird so auch weitergehen, da ist sich Marc Weinstock sicher. „Immerhin haben wir das Projekt damals vorgestellt mit der Beschreibung: Das wird das Quartier der Zukunft.“