Ein Kicker im Büro, ein paar bunte Getränke im Kühlschrank und einen Tag Homeoffice in der Woche: Das ist es, was viele Menschen sich (immer noch) vorstellen, wenn sie New Work hören. Dabei ist New Work nicht einfach nur ein Buzzword, das sich in Stellenanzeigen nun mal eben gut macht. Im Gegenteil, hinter New Work steckt einiges an Ideen, Potenzial und Möglichkeiten.
„New Work kommt für mich aus verschiedenen Ecken, die man zu einem wirklich tollen Konstrukt zusammenbauen kann“, erklärt Prof. Dr. Axel Minten, Vizepräsident des BVCS und Experte für New Work Themen. „Die erste ist die ursprüngliche Ecke. Frithjof Bergmann wird sicher vielen Leuten etwas sagen, der hat schon vor vielen Jahren den Begriff geprägt.“ Der Begründer der New Work Bewegung war einer der ersten, der die Veränderung des Mindsets in Bezug auf Arbeit unter die Leute brachte. „Er stieß den Gedankengang an, dass man Arbeit neu denken muss, damit sie den Menschen dient, damit der Mensch in ihr glücklich ist und damit der Mensch etwas macht, bei dem er sich geborgen und gebraucht fühlt. Und dass wir eben nicht nur arbeiten zum Erwerb von Geld oder zum Unterhalt des Lebens“, fasst Axel zusammen.
How to New Work
Mit seiner Serie How to New Work auf LinkedIn gibt er regelmäßig Tipps zur praktischen Umsetzung der New Work Ansätze, denn für viele Menschen ist das Thema immer noch sehr ungreifbar. „Man muss aber beachten, dass es da auch wieder zwei Schienen gibt“, betont er. „Auf der einen Schiene stehen alle Menschen, die agiles Arbeiten auch einfach leben können, bei denen gibt es Entgrenzung und Individualisierung, sie können im Homeoffice oder an dritten Orten wie Coworking Spaces arbeiten. Solche Leute können voll in diese New Work Schiene einsteigen, indem feste Arbeitszeiten wegfallen oder die Nutzung des Raumes neu gedacht wird. Das ist aber auch eine große Freiheit, solch eine Flexibilität. Dann gibt es noch all jene, die wir gerade bei New Work nicht mitdenken.“
Zu dieser Schiene, auf der Menschen stehen, die aktuell bei New Work Themen noch nicht oder zu wenig mitgedacht werden, gehören beispielsweise Leute in Produktions- oder Care-Berufen. „Was will der Altenpfleger zu Hause, wenn er eigentlich den alten Menschen pflegen soll? Was macht die Kellnerin, wenn sie nicht im Restaurant arbeitet?“, gibt Axel zu bedenken. „Wir müssen überlegen, wie man die Arbeit besser gestalten kann – so, dass sie die Leute und deren Gesundheit nicht ausbeutet und die Menschen nicht krank macht. Auch unter den Gegebenheiten, dass sie nicht zu Hause oder im Coworking Space stattfinden kann. Aber man muss überlegen, wie man den Menschen optimale Gegebenheiten liefert.“
Die Individualisierung von Arbeit
„Damit wären wir bei meiner persönlichen Definition von New Work angekommen“, so Axel. „Die Individualisierung von Arbeit. Ich gehe also so weit, dass ich sage, es ist nicht nur Flexibilisierung, es ist auch Individualisierung. Wenn jemand in einem klassischen Setting 40 Stunden die Woche einem nine to five Job nachgehen möchte, kann das ja zu seinem Leben passen, weil derjenige sagt, er kriegt sich nicht so gut gesteuert zu Hause, ist damit nicht happy und kriegt die Lebensbereiche nicht getrennt, wie er es möchte. Aber es ist eben wichtig, dass man die Wahl hat. Dass man individuell gestalten und entscheiden kann, wie man arbeiten möchte.“ Genau diese Individualisierung sollte es aber nicht nur für Bürojobs geben. „Auch ein Fließbandmitarbeiter sollte Entscheidungen treffen können. Möchte er im Sitzen oder im Stehen arbeiten? Möchte er einen Roboterarm benutzen oder seine eigene Muskelkraft? Das bedeutet für mich New Work und die Individualisierung von Arbeit.“
Genau diese Individualisierung ist aber in vielen Bereichen der Arbeitswelt noch nicht angekommen, insbesondere wenn es um Jobs ab vom Schreibtisch geht. Axel ist der festen Überzeugung, dass sich dieses Problem lösen lässt. Den ersten Schachzug müssen dabei aber die Unternehmen machen. „Jede Firma, egal was sie macht, müsste jeden Stein erst einmal in die Hand nehmen, herumdrehen und gucken, was man an dieser Stelle besser machen kann. Zum Beispiel bei den Räumen, den Regeln, der Kultur oder dem Führungsstil.“ Weg von Autorität und hin zu Freiheit, das ist einer der wichtigsten Punkte für den New Work Experten.
Pain Points und Glücks-Punkte
Ebenso wichtig wäre Axel ein Ausmachen und Eliminieren von „Pain Points“ und gesundheitsschädlichen Dingen. „Dann müssen Führungskräfte überlegen, wie zum Beispiel Produktionsstätten angeordnet sind, was man von den Leuten verlangt, wie der Lärmpegel ist und so weiter. Wenn dieses Bewusstsein einmal da ist, dann ist der erste Schritt Richtung New Work schon getan.“ Den New Work Gedanken in alle Bereiche bringen, das ist dem Experten wichtig, um Arbeit aufzuwerten und besser zu machen, vor allem aber, um sie an die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer anzupassen. „Wenn eine Altenpflegerin sagt, sie möchte gerne 20 Patienten am Tag pflegen und dadurch möglichst viel verdienen, ist das okay, das kann sie machen. Wenn aber ein anderer Pfleger sagt, er ist mit zehn Patienten zufrieden und möchte sich danach Zeit für seine Kinder nehmen, ist das genauso okay. Sowas sollte doch machbar sein in unserer heutigen Arbeitswelt.“
Zudem findet Axel, dass jeder seinen Glücks-Punkten in seinem Job folgen können sollte. „Wenn jemand sich von seinem Job wie der Altenpflege genau die Aspekte raussuchen könnte, die er mag, wäre das doch toll. Der eine sagt, er will nur am Patienten arbeiten, weil die ganze Bürokratie ihn total unglücklich macht und der nächste sagt ‚Weißt du was? Ich mache die Bürokratie für dich, ich bin das‘, das wäre ein großer Schritt für die Individualisierung in der Arbeitswelt.“
Digitalisierung um jeden Preis?
Mit New Work geht oft auch das Stichwort der Digitalisierung einher. Jedoch sollte nicht auf Zwang immer alles digitalisiert werden. „Wenn die Leute durch die Digitalisierung Angst um ihren Job haben müssen oder sie dadurch keinen Spaß mehr an der Arbeit haben, weil sie nur noch warten, dass die Maschine einen Fehler macht und ein rotes Lämpchen blinkt, damit sie eingreifen können, ist das der falsche Weg. In der Arbeitspsychologie wurde bewiesen, dass sowas sogar schädlich wäre. Der Mensch will gebraucht werden. Grundlegend sollte die Digitalisierung schlechte Aspekte der Arbeit eliminieren und positive Aspekte fördern.“ Denn sie bringt viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeit mit sich, wenn sie Dinge behebt, die vorher ein Problem waren. So eignet sich beispielsweise künstliche Intelligenz, um Produktionsprozesse so zu gestalten, dass die Menschen, die sich ihren Arbeitsplatz nicht aussuchen können, sondern vor Ort arbeiten müssen, trotzdem top Arbeitsbedingungen haben. „Auch wenn wir uns das gerade vielleicht nicht vorstellen können, ist dann vielleicht trotzdem irgendeine Art von Gleitzeit möglich, weil die Maschinen viel übernehmen. So können sich die Mitarbeiter dann besser aufteilen“, schwebt Axel vor.
Ebenso könnten einige Leute wieder zu der Arbeit zurückkommen, für die sie ihren Job machen. So gibt es beispielsweise in Pflegeberufen verschiedene Aufgaben, für die sich Pflegeroboter eignen würden. Die Akzeptanz solcher Roboter auf der Seite der Patienten hängt stark vom Einsatzgebiet ab, ist grundlegend aber da. „Warum nehmen wir diesen Leuten damit nicht manche Aufgaben ab und machen New Work, indem wir ihnen das Arbeiten so angenehm wie möglich machen? Damit sie mehr als 30 Sekunden Zeit bei der alten Dame haben, um ihr die Haare zum Zopf zu binden. Und damit sie nachmittags vielleicht mal ein Spiel mit den Kindern auf der Kinderstation machen können, weil der Pflegeroboter sich um das Zähneputzen oder den Klogang gekümmert hat. Sowas sollte man doch individuell auf den Menschen abstimmen. Auch da kann doch mit Sicherheit New Work im Sinne von Bessermachen greifen.“
Die Balance finden
Die Digitalisierung ist also ein wichtiges Hilfsmittel für die New Work Bewegung, sollte aber eben nicht zu inflationär eingesetzt werden. „Wir müssen irgendwann unter New Work verstehen, dass wir das nicht alles machen, was da machbar sein wird“, so Axel. „Niemand möchte zu 100 % überwacht werden.“ So hält er beispielsweise nichts von der Möglichkeit des Bildschirm-Trackings, mit dem Arbeitgeber sehen können, woran ihre Mitarbeiter arbeiten. „Wenn ich Angst habe, dass meine Mitarbeiter während der Arbeit die ganze Zeit Katzenvideos schauen, statt vernünftig zu arbeiten, dann sollte ich sie nicht überwachen, sondern meine Zeit lieber so investieren, dass ich ihre Arbeit so aufwerte, dass sie gar nicht mehr das Bedürfnis haben, Katzenvideos zu gucken.“
Die Top-Ziele der Arbeitswelt
Um New Work präzise umsetzen zu können, braucht es jedoch erst einmal eine Betrachtung darauf, was gerade generell die Top-Ziele der Arbeitswelt sind. „Wir müssen gesund bleiben, dann müssen wir endlich mal nachhaltig werden auf der Arbeit“, betont Axel. „Deshalb mag ich Coworking so gern. Das ist eine Share Economy, man teilt sich ein Gebäude und versucht, das Beste rauszuholen, damit die Räume nicht ewig leer stehen, man nutzt Dinge gemeinschaftlich.“
In diesen Aspekt spielt auch die ökonomische Nachhaltigkeit mit hinein. „Jede Firma will Geld verdienen, das ist auch völlig in Ordnung. Aber sie darf es nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter und der Umwelt austragen. Da sind wir bei einem ganz alten Modell von Nachhaltigkeit, das immer schon ein Dreiklang war“, so Axel. „Sozial nachhaltig, ökologisch nachhaltig und ökonomisch nachhaltig.“
Wie neu ist New Work?
New Work ist also viel mehr als nur ein Buzzword, das ab und zu mal in den Raum geworfen werden sollte, wenn es um Gleitzeit oder ein Feierabendbier geht. Denkt man aber genauer über den Begriff an sich nach, fällt auf, dass dieser schon lange im Umlauf ist. Schnell stellt sich daher die Frage, was genau denn nun neues Arbeiten ist und ob die Bezeichnung nicht schon zu sehr mit Kickertisch und Obstangebot in Verbindung steht. „Sicher stellen sich viele Leute das Falsche oder auch einfach zu wenig unter New Work vor“, denkt Axel.
„Letztendlich wurde der Begriff über Jahrzehnte immer mit dem besetzt, das zu der Zeit neu war. Das ist eine never ending Story – wann sind wir da? Aber auch 2060 zum Beispiel wird es immer noch New Work geben. Der Begriff ist daher sicher nicht optimal gewählt. Auf der anderen Seite mag ich das Wort neu, da stecken Chancen und neue Wege drin. Ich denke, am Ende ist es Interpretationssache. Wir müssen Arbeit immer wieder neu denken und an Gegebenheiten anpassen, die passieren und aufhören, uns einzubilden, dass wir irgendwann ankommen, wenn wir eine oder mehrere bestimmte Sachen tun. Wir werden immer wieder Pain Points oder negative Aspekte an der Arbeit finden, die wir immer wieder angehen sollten.“ Wem das Wort neu zu endlich oder verbraucht ist, der solle aus dem Begriff New Work vielleicht Better Work machen, findet Axel. „Dann müssen wir Arbeit einfach immer wieder besser denken, nur so kommen wir doch ans Ziel, wenn es überhaupt ein Ziel gibt.“
Langfristig besser arbeiten
Es gibt also noch viel zu tun, um die Arbeitswelt zu modernisieren und besser zu machen. Wichtig ist aber vor allem auch das Ausmerzen von alten Rollenbildern. „Langfristig müssen wir die Trennung zwischen White Color, also weißes Hemd und Kopfarbeit, und Blue Color, händische und physische Arbeit und Blaumann tragend, überwinden“, erklärt Axel. „Das heißt nicht, dass die Produktionsarbeit verschwinden soll oder dass stehende Tätigkeiten verschwinden werden oder es keine mehr gibt. Aber wir müssen das bitte so machen, dass das nicht automatisch die Jobs sind, in denen die Leute arm, krank und unzufrieden sind!“
So kommt Axel auch auf die Individualisierung der Arbeit als einen der wichtigsten Aspekte zurück. „Die Menschen müssen offen ansprechen und vor allem offen ansprechen dürfen, wo der Schuh drückt. Und die Unternehmen müssen das ernst nehmen und die Probleme dann vor allem angehen und ausmerzen. Dann sind wir auf dem besten Weg in eine neue, schönere und bessere Arbeitswelt.“
Wie diese Wege aussehen können, wie Unternehmen und auch öffentliche Einrichtungen auf die neuen Anforderungen reagieren können und wie sich Coworking weiterentwickeln wird, darum wird es am 12./13. Oktober auf der #zukunftcoworking in Köln gehen. Auch Axel wird vor Ort sein und den Kongress moderieren. Tickets sind erhältlich unter www.zukunftcoworking.de/#ticketkaufen.