Anne Rübsam-Rivierre ist Gründerin des Work’n’Kid – einem Coworking-Space in Berlin mit Kinderbetreuung. In unserem Interview spricht sie über die Entstehung und Entwicklung des Spaces und die Chancen, die durch die Corona-Krise für Coworking mit Kindern entstehen.
Stell Dich doch einmal kurz vor. Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Anne, die Initiatorin und Gründerin eines Coworking-Spaces mit Kinderbetreuung und Events in Berlin Friedrichshain namens Work’n’Kid. Mit diesem Herzensprojekt habe ich es geschafft, die mir beiden wichtigen Passionen Arbeit und Kind gewinnbringend miteinander zu kombinieren. Ich bin nämlich auf der einen Seite glückliche Mutter von zwei Söhnen und gleichzeitig auch leidenschaftliche Unternehmerin.
Woher kam die Idee, einen Coworking-Space mit Kinderbetreuung zu gründen?
Angefangen hat alles mit einer quasi perfekten Karriere im Eventbereich mit zuletzt führender Position als Senior Managerin, wo man dann vermeintlich zufrieden sein müsste. Vermeintlich. Denn spätestens mit der Geburt des zweiten Kindes änderten sich die Wertigkeiten und klassische Rollenmodelle möchte man auch nicht mehr.
Die Idee zum Work’n’Kid ist eigentlich aus einer gewissen Not heraus entstanden. Ich fühlte mich in meinem früheren Job zwischen dem Muttersein und dem professionellen Arbeiten oft hin- und hergerissen. Oft stieß ich auf strukturelle Probleme, wobei die Zeit als solche nicht das Problem war, sondern der effektive und flexible Umgang damit als Teil einer Firmenidentität. Also stellte ich mir die Frage, welche Möglichkeiten ich meinem Arbeitgeber vorschlagen kann, um in eine Win-Win-Situation zu kommen. Und auf der anderen Seite war da oft ein unausgesprochener Qualitäts- oder Stigmata-Stempel, weniger zu leisten, nur weil man Mutter ist und ggf. Teilzeit arbeitet. Was de facto natürlich nicht stimmt und in anderen Zusammenhängen auch deutlich widerlegt werden konnte. Das ist ein Druck, der nicht nötig wäre. Das hat insgesamt viel mit Mindset zum Thema New Work, Agilität und eben Vereinbarkeit zu tun. Vereinbarkeit muss gelebt werden. Und wenn es da kein Vorbild gibt, ist es schwierig.
Zweiteilen konnte und wollte ich mich nie. Ich arbeite gern und ich bin gern mit der Familie zusammen. Nur die selbstverständliche Balance fehlte. Gleichzeitig hatte ich das große Glück, mit inspirierenden Personen in Berührung zu kommen, die mir bestätigten, dass ich nicht alleine mit diesen Themen dastehe. Eine neue Sichtweise kam auf: Handeln statt Jammern. Zur Lösung beitragen. Daher war für mich der nächst logische Schritt, dass ich das einfach selbst in die Hand nehme. So gründete ich Work’n’Kid – Coworking mit Kinderbetreuung, welches für agiles modernes Arbeiten mit Kind steht. Gegründet habe ich Anfang November 2019 und bin seitdem glückliche Unternehmerin.
Was bietet ihr in eurem Coworking-Space?
Wir bieten hier Eltern & Gleichgesinnten nicht nur die Möglichkeit, einen flexiblen Arbeitsplatz zu finden, sondern gleichzeitig auch ihre Kinder gut betreut zu wissen. So, dass eine Work-Child-Balance entsteht. Hilfreich ist es, dass einige Eltern auch vom Jugendamt Rückerstattungen bekommen.
Networking und Synergien zu nutzen ist hier das Stichwort. Zusätzlich planen wir die verschiedensten Veranstaltungen unter dem Oberbegriff Work’n’Kid und ergänzen damit das Angebot für den Kiez und fördern andere Unternehmer(-innen).
Worauf legst Du besonders großen Wert bei Deinem Konzept?
Authentizität ist uns vor allem wichtig. Wir möchten eine Community und ein Umfeld, in der sich die Mitglieder wohlfühlen. Hier geht es nicht darum, der/die Schnellste, Schönste, Größte oder Beste zu sein. Sondern mit beiden Beinen auf dem Boden stehend seinen Arbeitsalltag zu gestalten und einen Mehrwert dabei zu erhalten. Denn das schafft Energien für Neues.
Glaubst Du, dass sich Coworking-Spaces mit Kinderbetreuung mehr etablieren werden?
Das Bewusstsein für alternative Arbeitsmodelle wächst zum Glück bereits seit ein paar Jahren. Aktuell gibt es immer mehr Eltern, aber auch Arbeitgeber, welche flexiblere Möglichkeiten zulassen oder gar fordern bzw. fördern. Und gerade durch die Corona-Krise wird es sicher viele geben, die auch danach an der (jetzt teiweise aufgezwungenen) Freiheit in den verschiedenen Formen langfristig interessiert bleiben, weil es eben doch geht und weil es eben doch zu mehr Zufriedenheit führen kann. Trotz der gleichzeitig negativen Homeschooling Effekte. Das gerade ist zwar eine Krise und nicht echtes New Work. Aber das Bewusstsein, was mobiles Arbeiten in der Realität bedeutet, wächst. Die Chance auf eine neue Arbeitswelt kommt dann nach der Krise. Jetzt lernt die breite Masse erst einmal, unter Druck die Techniken und Möglichkeiten kennen und nach dem Evolutionssprung kann dann durch die neue Routine die eigene individuelle Vereinbarkeit besser etabliert werden. Und dann sind neue Konzepte wie das Work’n’Kid gefragt(er).
Wie geht ihr jetzt zu Corona-Zeiten mit der Kinderbetreuung um?
Aktuell haben wir geschlossene Kleingruppen in festen Blöcken und halten uns ansonsten an die Abstands- und Hygiene-Vorgaben. Manche Eltern bringen auch gelegentlich größere Kinder mit, für die wir den Meetingraum als Homeschooling Raum umfunktioniert haben. Wir merken, dass jetzt – nach einer Pause – die grundsätzliche Nachfrage deutlich ansteigt, vor allem auch nach flexiblen Möglichkeiten jenseits der Kitakrise. Und damit blicken wir optimistisch in die Zukunft.