„Ich bin jeden Tag in den Space gekommen und viele Wochen saß ich hier ganz alleine“, erzählt Lone Aggersbjerg. Sie hat vor etwas über einem Jahr – kurz vor dem ersten Lockdown – ihren Coworking Space Tink Tank eröffnet. Einen Coworking Space gründen während Corona ist nicht die beste Ausgangslage. Trotzdem bereuen sowohl Lone als auch Angelika Stehle, die mit ihrem Flow Working Wiesbaden ähnliches erlebt hat, den Schritt nicht.
Holpriger Start
„Das ist mein Normal, ich kenne es gar nicht anders“, lacht Lone. Das Tink Tank wieder zu schließen, war für sie nie eine Option. Eine Eröffnungsfeier gab es zwar nicht, aber davon ließ sie sich nicht aufhalten. Um auch während Corona den Space zumindest halbwegs normal führen zu können, brauchte es etwas Einfallsreichtum. So gibt es bei Lone die Möglichkeit, einfach vorbeizukommen und ohne Voranmeldung ein Tagesticket zu buchen. „Da hatte ich eines Tages plötzlich zwei Leute hier stehen“, erinnert sie sich an ihre ersten Coworker. Kurz darauf kamen die weiteren Anfragen. Nicht mehr alleine im Space zu sitzen, half ihr sehr, ihre Motivation beizubehalten.
Die Verlagerung in den virtuellen Raum…
Trotzdem ist es nicht leicht, während Corona mit einem Coworking Space zu starten. „Es ist alles verzerrt“, beschreibt Angelika das Gefühl. Oft waren Leute nicht erreichbar oder handwerkliche Arbeiten im Space verzögerten sich. Angelika sieht aber auch eine positive Seite. „Die Vernetzung war eine ganz andere“, erzählt sie. „Plötzlich waren alle online und es war viel einfacher, sich virtuell auszutauschen und zueinander zu finden.“ Viele Angebote habe man gegenseitig nur wahrgenommen, weil während Corona plötzlich alles in den virtuellen Raum verlegt wurde, glaubt sie. Diesen Vorteil sieht auch Lone. „Ich habe viele Veranstaltungen, die wir online angeboten haben, dann auch selbst moderiert. Ich denke, das macht einen großen Unterschied für das Community-Feeling“, glaubt sie.
…bringt langsam Müdigkeit mit sich
Nach über einem Jahr virtueller Veranstaltungen wünschen sich nun aber beide Gründerinnen, sich endlich wieder live vernetzen zu können. „Ich finde es enorm wichtig, Verbindungen und vor allem für diese einen Raum zu schaffen“, sagt Angelika. Eine Plattform zu schaffen, um sich wieder zu treffen und wieder näher zusammenzurücken, das ist ihr besonders wichtig. „Danach geht es vielleicht erstmal gar nicht nur um Business Empowerment, sondern darum, die Menschen wieder zusammenzubringen“, findet sie. Sie will dabei nicht nur ein Coworking Space sein, sondern auch kulturellen Events Raum bieten. „Es ist wichtig, sich einfach nur auszutauschen bei einem guten Wein und ohne Impulse die Leute zu fragen, wie es ihnen geht und wie ihr Blick in die Zukunft aussieht.“
„Langsam gibt es eine Müdigkeit, was die virtuellen Veranstaltungen angeht“, bemerkt auch Lone.
Lone hat vor Kurzem ein Buchungssystem gelauncht, bei dem die Coworker einen Tisch ihrer Wahl reservieren und gleichzeitig sehen können, wie viele und welche Plätze bereits belegt sind. „Ich merke aber schon, dass die Leute sich auch von selbst so setzen, dass sie Abstand halten können. Außerdem arbeiten wir auch mit Trennwänden. Hier sind alle gewillt, dass sie zur Arbeit kommen können und alle halten sich von selbst an die Regeln.“
Wenn die Pandemie zur Chance wird
Insbesondere bei einer Sache sind sich die beiden Betreiberinnen einig: Coworking wird besonders nach Corona noch gefragter sein als bisher. Angelika sieht die Pandemie als Chance für das Konzept. Sie möchte von den Leuten selbst erfahren, was sie gerade brauchen und sich danach richten. „Langfristig werden Coworking Spaces interessanter werden als eigene Immobilien. Wenn wir als Spaces da gerade sichtbarer werden, ist das für uns ein riesiger Vorteil.“ Auch Lone glaubt, dass Anfragen dann vor allem aus mittelständischen und großen Unternehmen kommen werden, so dass manche Coworking Spaces vielleicht ihre Ausrichtung etwas anpassen und noch flexibler werden müssen. „Ich bin selbst mit Membership-Modellen gestartet, aber die sind während Corona schnell im Schredder gelandet“, lacht sie. Sie bietet inzwischen auch Halbtages-Tickets an. „Während Corona sind viele Eltern im Homeoffice und die Kinder im Homeschooling“, erklärt sie. Ein Elternteil arbeitet vormittags, der andere nachmittags. Sie können sich durch das Halbtags-Modell abwechseln oder nur ein Elternteil arbeitet im Coworking Space und geht mittags nach Hause. „Wenn wir genau auf die Bedürfnisse der Leute hören, können wir exakt das anbieten, was sie brauchen und wollen. Dann liegt der Markt für uns offen“, glaubt Lone. Und sie ist sicher: „Wenn wir alle einen langen Atem behalten können, dann kommen wir als Gewinner aus dieser Pandemie raus.“