„Quo vadis, Coworking?“ Das war eine der Fragen, der sich mehrere Speaker auf der #zukunftcoworking stellten. Bei der Podiumsdiskussion ging es um die verschiedensten Seiten des Coworkings – vom ländlichen bis in den urbanen Raum und sogar bis hin zu einem Ausblick über ganz Europa. 

Coworking hat viele Facetten – vom 300-Seelen-Dorf bis hin zu großen Metropolen. Welche Effekte Coworking Spaces in verschiedenen Regionen mit sich bringen können und wie diese aktuell und in Zukunft umgesetzt werden (können), darüber sprachen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion “Quo vadis, Coworking?”  auf der #zukunftcoworking am 13. Oktober in Köln. 

“Wir haben schon jetzt hochqualitative Coworking Spaces in Deutschland. Und das ist auch gut so, denn dort ist die Produktivität oft höher als im Homeoffice”, bemerkte Dr. Rüdiger Klatt, Sozialwissenschaftler und Institutsleiter beim FiAP e. V. in der Podiumsdiskussion. Wie der Stand in anderen europäischen Ländern ist, wusste Robert Faulhaber, COO der Coworking Europe, zu berichten. Coworking sei immer noch ein extrem lokales Business, erzählte er. “Coworking in Spanien ist komplett unterschiedlich zu Coworking in Polen, Coworking in Deutschland und so weiter.” In jedem Land oder gar jeder Stadt gäbe es andere Möglichkeiten, Förderungen und Mentalitäten.  

Susanne Gill, Dr. Rüdiger Klatt, Tobias Kollewe und Robert Faulhaber bei der Podiumsdiskussion "Quo vadis, Coworking?"

Mehr als ein Arbeitsort 

Die Unterschiede sprach auch Tobias Kollewe, Vorstand des BVCS und CEO der cowork AG, an. “Es gibt sehr große Unterschiede im urbanen, suburbanen und ländlichen Raum. Die Coworking-Struktur in diesen Bereichen ist ganz unterschiedlich”, erklärte er. So sei Coworking im ländlichen Raum beispielsweise oft etwas, das Zeit fürs Ehrenamt schafft. Durch den Hauptaspekt des wohnortnahen Arbeitens habe Coworking im ländlichen Raum eine ganz andere Nutzendimension als in der Großstadt. Dem stimmte auch Susanne Gill von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz zu, die sich durch das Projekt “Dorf-Büros” bestens mit Coworking im ländlichen Raum auskennt. Doch es sei nicht nur mehr Zeit für Familie und Dinge wie Ehrenamt, die in kleinen Gemeinden wichtig sind. “Die Leute, die nicht mehr auspendeln, beleben den Ort wieder, sie kaufen wieder vor Ort ein”, erklärte sie. Zudem sei die Multifunktionalität von Coworking Spaces im ländlichen Raum viel größer. “Es ist nicht nur ein Raum zum Arbeiten, sondern ein sozialer Treffpunkt. Ein Coworking Space kann eine Anlaufstelle für den Postboten sein oder für Schulkinder, bei denen nach der Schule noch niemand daheim ist.” 

Doch ein gewisser sozialer Aspekt ist nicht nur in den ländlichen Kommunen von Bedeutung. “Es ist ein Zeichen von Wertschätzung, wenn der Betrieb seinen Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, den Arbeitsplatz auszuwählen”, so Rüdiger. “Wenn ein Betrieb Coworking nutzt, bekommen die Beschäftigten, die sonst benachteiligt sind, weil sie zu Hause in der Küche arbeiten, nun einen Ausgleich durch professionelle Arbeitsplatzgestaltung im Coworking Space.” Besonders für Menschen, die kleine Kinder haben, sei wohnortnahes Arbeiten wichtig.  

Susanne Gill und Axel Minten bei der Podiumsdiskussion "Quo vadis, Coworking?"

Verschiedene Nutzendimensionen 

Dass Coworking in jeder Region andere Nutzendimensionen hat, da waren sich die vier Experten einig. Roberts Aussage, Coworking in den größeren Städten sei bald gegessen, stimmte Tobias jedoch nicht zu. “In Städten steht man vor den gleichen Fragen wie im ländlichen Raum, nur in anderer Form. In Großstädten fehlen die Coworking Spaces im Außenbereich der Großstädte, sie sind nur in den zentralen Bereichen. Sie müssen aber nach außen, denn von dort kommen die meisten Pendler”, erklärte er. Apropos Pendeln: “Ich finde, Pendelbewegungen sind immer sehr abstrakt”, merkte Tobias an. “Darum gebe ich hier mal ein Beispiel. In Aachen leben etwa 250.000 Menschen, wir haben da jeden Tag 90.000 Pendlerbewegungen. Was man da an CO2, Kosten und Zeit einsparen könnte, das ist eine wahnsinnige Zahl. Da sieht man erstmal, was für ein Nutzen entstehen könnte, wenn man dezentrale Coworking Spaces einrichtet.” Er gab allerdings auch zu bedenken, dass in den verschiedenen Bereichen noch einiges zu tun sei und noch viel Arbeit geleistet werden muss. 

“Wer muss denn dafür noch so richtig geschüttelt werden? Politiker, Unternehmen, Kommunen, wir als Nutzer?”, wollte Moderator Prof. Dr. Axel Minten wissen. Da gäbe es unterschiedliche Ansätze, wo man rütteln müsse, so Tobias. Am Ende sei es aber ein langjähriger Prozess. “Wir sind ja nicht nur in der Entwicklung von Coworking Space, sondern in einem fundamentalen Wandel der Arbeitswelt und somit der Gesellschaft.” Wie so oft entsteht auch heute der Wandel häufig aus Problemen. Und da spielt Coworking eine wichtige Rolle auf Seiten der Lösung. “Wie wollen wir denn anders diese Krisen bewältigen – Energiekrise, Energieknappheit – wenn wir nicht auch darüber nachdenken, wie wir die Arbeitsprozesse optimieren?”, gab Rüdiger zu bedenken. Oft sei die Entscheidung für oder gegen Coworking eine Frage der Geschäftsmodelle, Rentabilität und der Qualität des Community Managements. Ist diese gut, hat man einen Space, der einen arbeitstechnisch weiterbringt. Bei großen Ketten spiele das aber oft leider keine Rolle. “Das ist eine Sache, da muss es in der Branche eine Entwicklung geben.” 

Podiumsdiskussion "Quo vadis, Coworking?"

Mit Coworking Spaces in den ländlichen Raum 

Doch was braucht es vor Ort, um Coworking weiter nach vorn zu kriegen? “Akteure”, ist Susannes Antwort. “Ich will, dass Leute dafür brennen, die verstehen: Was ist das überhaupt? Dass es eine Entwicklung ist in den nächsten 20, 30, 40 Jahren. Was heute funktioniert, muss in fünf Jahren nicht immer noch Bestand haben können oder müssen. Das ist ein schwieriger Prozess, der gelebt werden muss.” Oft kann eine Kommune für einen Coworking Space leerstehende Flächen anbieten. “Es gibt viele Räume in Gemeindehand, die dafür zur Verfügung stehen könnten. Einfach ausprobieren!” 

Aber wie wichtig wird flexibles Arbeiten werden? “Wie werden die Leute reagieren, wenn ihnen kein flexibles Arbeiten angeboten wird?”, wollte Axel im Anschluss wissen. “Wenn ich in Zukunft im Speckgürtel bin, in einer ländlichen Kommune, wo ich nicht arbeiten kann, ist das ein Problem. Dann ziehe ich vielleicht um in eine andere Kommune mit Coworking Space”, schilderte Robert. Auch die Firmen würden realisieren, dass sie ihre Büros nach und nach verkaufen müssen. “Sie müssen ihren Arbeitnehmern erklären, wo der Mehrwert liegt, wenn sie pendeln müssen.” Das Büro eigne sich für Meetings und Teamwork an etwa zwei Tagen pro Woche, so Robert. Die restliche Zeit sei ideal für Homeoffice oder die Arbeit im Coworking Space. “So braucht es aber weniger Fläche im Büro. Es geht darum, den Arbeitnehmern zu geben, was sie brauchen, um sie zu empowern, am besten zu arbeiten. Das kann im Speckgürtel von München sein oder in Sizilien.” Wichtig sei aktuell vor allem zu beachten, dass ein Wegzug aus Ballungsgebieten stattfindet. “Deswegen ist jetzt die Chance, die Leute mit Coworking Spaces in den ländlichen Raum zu holen.” 

Quo vadis, Coworking

 

Deutschland als Coworking-Traumland 

Auch stellt sich die Frage, wer am besten als Betreiber eines Coworking Spaces geeignet ist und wie Coworking Spaces attraktiver werden können. “Im Grunde ist doch nicht die Frage: Wer betreibt den Coworking Space?”, merkte Tobias jedoch an. “Es geht um das Zusammenarbeiten, das Netzwerk. Solange die Flächen und Angebote entstehen, ist das doch egal.” Attraktivität sei ebenfalls nicht der ausschlaggebende Punkt. “Viel eher sollten Coworking Spaces ihre Preise erhöhen und an der Erwartungshaltung der Nutzer oder derer, die für diese zahlen, arbeiten. Ein 24 Stunden verfügbarer Arbeitsplatz mit Service und allem Drum und Dran kann nicht 89 € netto im Monat kosten”, stellte Tobias fest. “Auch im städtischen Bereich kann ein Arbeitsplatz für 300 € nicht rentabel sein.” Studien zeigen, dass Unternehmen bereit sind, Coworking-Plätze für ihre Mitarbeiter zu zahlen. “Leider liegt die ‘Schuld’ manchmal beim Coworking Space selber”, bedauerte Tobias. “Weil er seine Leistung einfach falsch einschätzt.” 

“Wo seht Ihr Coworking denn in zehn Jahren?”, wollte Axel zuletzt wissen. “Ganz ehrlich?”, lachte Susanne. “Keine Ahnung. Das ist alles so wandelbar und so schnell, da könnte alles passieren.” Rüdiger hofft auf viel Unterstützung und große Veränderungen: “Ich hoffe, dass die Gesellschaft, also Politik, Wirtschaft und Beschäftigte, die Potenziale von Coworking erkennen, da muss jeder seinen Job machen und dann sind wir in einer neuen Arbeitswelt.” Tobias geriet etwas ins Schwärmen: “In zehn Jahren ist Deutschland Coworking-Traumland. Da Coworking Teil der Sharing-Economy ist, wird es hoffentlich in zehn Jahren genauso selbstverständlich sein wie Car-Sharing.” Robert sieht Coworking ebenfalls in zehn Jahren sehr viel selbstverständlicher als heute. “Ich sehe es als Rückgrat der zukünftigen Arbeitswelt. Als Teil der Infrastruktur. Weil es der ressourcenschonendste Weg ist, Arbeitswege zu reduzieren.” Deutschland als Coworking-Traumland mit einer neuen Arbeitswelt, in der Coworking Teil der Infrastruktur ist: Das klingt doch nach einer wünschenswerten Zukunft!