Das Gewerbeamt Potsdam verhindert die Ansiedlung von Unternehmen in Coworking Spaces, weil es Angst vor Briefkastenfirmen hat. Das ist wieder einmal ein Vorzeigebeispiel dafür, wie Politik und Verwaltung Gründern und der Wirtschaft den Hahn zudrehen.
Anstatt Gründung und Geschäftsideen zu fördern, wird einem ganzen Konzept der Riegel vorgeschoben; vermutlich aus reiner Unwissenheit oder der Angst vor Neuem.
Es ist das Ignorieren der Lebensrealität seitens des Amtes, das mich immer noch entsetzt. Manche Behörden-Mitarbeiter/-Leiter wünschen sich immer noch, dass das digitale Zeitalter verschwindet und der Norm-Gründer Belege und Dokumente fein säuberlich locht, knickt und in Leitz-Ordnern abheftet. Und ausschließlich von seinem Bürostuhl aus arbeitet.
Derweil scheint man sich in Potsdam selbst uneinig zu sein. Der Wirtschaftsbeigeordnete Bernd Rubelt setzt sich laut dem Artikel von Peter Degener in der MAZ dafür ein, Coworking Spaces als Unternehmenssitz zuzulassen; was seit Jahren im Rest der Republik gang und gäbe ist.
Götz Friederich, der Vorsitzende des Potsdamer Wirtschaftsrats, hat dazu eine klare Meinung: „Das ist eine grandiose Posse. Wenn man sich Empfehlungen für Gründer anschaut, heißt es immer: Nutzt Coworking-Spaces, nehmt Dienstleister in Anspruch, wenn ihr noch klein seid und kein Geld für ganze Büroetagen habt. Und dann kommt das Gewerbeamt und sagt ,nein’ und die Unternehmen fallen aus allen Wolken.“
Derweil positioniert sich Brigitte Meier, die zuständige Beigeordnete in Potsdam, deutlich anders und schiebt die Schuld auf den Gesetzgeber. Sehr verkürzt: „Wir können nicht anders“.
Dass diese Blockadehaltung zulasten unzähliger Unternehmen geht, die sich ansiedeln möchten, aber nicht dürfen, scheint da eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dass man Coworking Spaces damit per se die Geschäftsgrundlage entzieht, wird de facto ignoriert. Wie viele Unternehmen mag es in den rund 2000 Coworking Spaces in Deutschland wohl geben, die sich dort ansiedeln, remote und global arbeiten, wachsen, einen nicht unerheblichen Teil zu Wirtschaftsleistung und auch zur Gründungskultur beitragen? Nur eben in Potsdam nicht. Da ist das nicht erlaubt.
Falko Nowak, MBA🇩🇪, Betreiber eines Coworking Spaces in Potsdam, verliert lt. Artikel durch diesen Verwaltungsakt des Amtes nach und nach auch Bestandskunden. Es geht also nicht nur um die Neuansiedlung, die verhindert wird. Und Matthias Noack, Geschäftsführer des MietWerk Potsdam, berichtet, dass er die gleichen Probleme schon seit 2020 hat.
Was für mich wirklich unverständlich ist: Wenn sich Unternehmen in klassischen Büros ansiedeln, dann fragt vermutlich auch in Potsdam niemand danach, ob und wie oft jemand dort arbeitet, wo geknickt, gelocht und abgeheftet wird. Und selbiges passiert auch nicht, wenn ich zuhause gründe. Und in Coworking Spaces landauf, landab natürlich auch nicht. Außer in Potsdam. Da wiehert der Amtsschimmel.
Randnotiz: Wie digitale Gründung, auch in Coworking Spaces, funktionieren kann, das zeigt das kleine Estland schon seit vielen Jahren (https://www.sueddeutsche.de/firmen-eintraege/unternehmensgruendung-estland.html) . Dort sind die in Potsdam so gefürchteten Briefkastenfirmen äußert willkommen.
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