Ein inklusiver Coworking Space mit kostenfrei zugänglichen Arbeitsplätzen und Arbeitsgeräten: Das ist die Vision von Linda und Christina von habito e. V..

Habito e. V. ist ein gemeinnütziger Verein in Heidelberg und Träger eines Mehrgenerationenhauses. Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um ein einfaches Wohnprojekt. „Wir haben einen großen öffentlichen Raum, der auch der Nachbarschaft zur Verfügung steht. Es ist unsere Vision, dass alte und junge Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung, Studierende, Geflohene und alle anderen zusammenkommen“, erklärt Linda das Konzept. Auch regelmäßige Veranstaltungen wie Kunstworkshops, Buchdiskussionen oder Gartenprojekte sind an der Tagesordnung. Nun möchten sich die Menschen hinter habito e. V. auch dem Thema Coworking widmen.

Peer-to-Peer Empowerment

„Während Corona haben wir gemerkt, dass Coworking Spaces noch einen viel größeren Bedarf bekommen. In Heidelberg gibt es auch einige Coworking Spaces“, erzählt Linda. Sie arbeitet in ihrem Alltag vor allem eng mit Arbeitssuchenden zusammen. Sie beitet beispielsweise Excel-Schulungen oder Hilfe bei der Bedienung von Smartphones an. „Solchen Leuten würde ein Ort zum Arbeiten total guttun“, sagte sie. „Ein Ort, wo sie immer hinkönnen, nicht nur einmalig. Ein Ort, der ihnen hilft, ihren Tag zu strukturieren, wo sie auch andere Leute treffen, die in derselben oder einer ähnlichen Situation sind. Damit sie in Kontakt kommen.“ Dabei können alle Anwesenden von Peer-to-Peer Empowerment profitieren. So kommt es zum Beispiel bei Arbeitssuchenden oft zu banal erscheinenden Problemen, bei denen sie Hilfe benötigen – sei es eine Formulierung in der Bewerbung oder ein Problem bei der Formatierung. „Für viele ist das der Moment, wo sie den Laptop zuklappen und die Bewerbung dann doch nicht schreiben, weil sie an kleinen Sachen scheitern“, so Linda. „Damit wollen wir uns auseinandersetzen und einen recht einfachen, niedrigschwelligen Coworking Space starten.“

Ressourcen, um Ideen umzusetzen

Das Konzept Coworking und Arbeitslosigkeit passen dabei sehr gut zusammen, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint. „Die Leute haben vielleicht kein StartUp, aber sie haben oft kleine Projekte, an denen sie arbeiten. Und man kann es vielleicht als eine Art Skill-Schule sehen, damit sie Hilfe bei Problemen bekommen oder vielleicht sogar Ideen finden für eigene Projekte – sei es eine Veranstaltung, die sie organisieren möchten oder ein Workshop.“ Dabei will habito e. V. den Leuten Ressourcen an die Hand geben, um ihre Ideen umzusetzen. Besonders wichtig ist dafür die Auseinandersetzung mit den Menschen, für die das Angebot gedacht ist. „Wir haben engen Kontakt zur Zielgruppe, daher wissen wir, dass es manchmal schwer ist, diese Leute zu motivieren und Vertrauen bei ihnen zu stiften. Bei anderen Personengruppen ist das oft leichter als bei Langzeitarbeitslosen, Geflohenen und armutsgefährdeten Senioren. Da fehlt manchmal die Eigeninitiative, dessen sind wir uns aber auch bewusst. Es wird sicher viel Zeit brauchen, bis es einmal richtig läuft, aber wenn es dann läuft, sind wir sehr sicher, dass es dann mehr und mehr angenommen wird.“habito e. V.

Kostenloses Arbeiten im Coworking Space

Der Coworking Space soll keine festen Arbeitsplätze zur Miete bieten, sondern reguläre Öffnungszeiten, kostenlose Plätze zum Arbeiten und auch Geräte zum Ausleihen. „Unser Ziel ist es, die Coworking Atmosphäre zu erzeugen, aber eben für Menschen, die sonst in diese Atmosphäre nicht reinkommen aus unterschiedlichen Gründen. Sei es, weil es zu teuer ist, weil sie es gar nicht kennen oder weil sie die Unterstützung nicht bekommen.“ Das Personal im Coworking Space wird ebenfalls ein wenig abweichen von dem, was man aus herkömmlichen Spaces kennt. „Die Koordination werde ich übernehmen“, erklärt Linda. Zusätzlich wird eine Betreuungsperson mit sozialarbeiterischem Hintergrund den Space unterstützen, ebenso ein inklusiver Hausmeisterdienst, der sich um die logistischen Dinge kümmert. „Das ist eine der Ressourcen, die wir zusätzlich mit reinbringen.“

Entstehung einer Community fördern

Das Projekt läuft über habito e. V. und wird sowohl über den Verein als auch über Fördermittel und Crowdfunding finanziert werden. Vom Crowdfunding, das im Rahmen eines Contest der Hertiestiftung noch bis zum 19.5. läuft, sollen dabei vor allem Ausstattung und Geräte bezahlt werden. Der Raum für den Coworking Space ist renovierungsbedürftig, außerdem möchte der Verein Laptops zum Ausleihen aufstocken. Durch die Finanzierungen soll gewährleistet werden, dass der Space für alle zugänglich ist und eine Community entstehen kann. „Ich denke, dass da ganz organisch eine feste Kerncommunity entstehen wird. Das ist meiner Meinung nach auch eine der größten Stärken von Coworking, dass durch diese feste Vernetzungsstruktur eine feste Community entsteht.“  Wer der Community für kurze Zeit entfliehen möchte, soll aber auch die Möglichkeit haben, sich allein hinzusetzen, um sich besser konzentrieren zu können. Dafür sollen kleinere Ruheräume zugänglich gemacht werden. Unter anderem gehört dazu eine Holzjurte. „Die hat eine ganz tolle Atmosphäre, die ist echt super. Da gibt es auch WLAN, das wäre toll für ruhige Arbeitsplätze“, schwärmt Linda. Zudem soll der Raum multifunktional genutzt werden. So könnte zum Beispiel vormittags Coworking stattfinden, nachmittags Nachbarschaftstreffs und Veranstaltungen.

Die Räumlichkeiten sollen noch in diesem Jahr renoviert werden, danach wäre der Space ready to go. „Es gibt auch Konzepte, wie wir es gestalten können, wie wir es trotz Corona machen können. Wir haben zum Beispiel eine Terrasse, auf der man im Sommer arbeiten könnte. Ansonsten ist unser Saal aber auch sehr groß, mit Maskenpflicht und Buchungssystem wäre es ja nach aktueller Bestimmung machbar, dass die ein oder andere Person dann dort arbeiten kann“, erzählt Linda. Ihre Hoffnung ist aber, dass diese Konzepte gar nicht zum Einsatz kommen müssen.

Menschen zum Nachdenken anregen

Besonders wichtig ist es für Linda und die anderen von habito e. V., Menschen zum Nachdenken anzuregen. „Wir freuen uns immer sehr, wenn wir andere inspirieren können und unsere Projekte nachgemacht werden. Ich würde mich freuen, wenn unsere Geschichte bestehende Coworking Spaces inspirieren würde, über bestehende Barrieren zumindest nachzudenken und diese zu reflektieren. Wir sind uns bewusst, dass es nicht immer möglich ist, alle Barrieren zu verhindern und einzureißen, weil man dafür teilweise auch gar nicht die finanziellen und personellen Ressourcen hat. Aber ich finde es gut, wenn man zumindest das Bewusstsein dafür hat, wo Barrieren sind. Das verändert oft schon die Art wie man arbeitet, woran man arbeitet und wie man über Sachen nachdenkt.“