Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Luxemburg ist die Coworking-Szene aktiv. Richard Scheibel, Projektentwickler für Wohnprojekte, erzählt in seinem Gastartikel vom Zusammenwirken von Wohnprojekten und Coworking und der daraus entstehenden Gemeinschaft.


Coworking-Spaces in Luxemburg, die mit Wohnprojekten verbunden sind, erwarten keine negativen Folgen aus den Beschränkungen des Covid19-Problemkreises. Das ist das Fazit einer Veranstaltung vom 11. Juni 2020, bei der Architekten, Vertreter sozialer Organisationen, von Coworking-Spaces und Wohnprojekten sowie Coworker per Videokonferenz zusammengekommen waren. Veranstalter war die Non-Profit-Organisation cohabitat.lu. Sie hat die Aufgabe, sich in Luxemburg für den Ausbau gemeinschaftlicher Wohn- und Arbeitsformen einzusetzen.
Neben einer breiten und wachsenden Coworking-Szene gibt es im Land aktuell einige Wohnprojekte, die gemeinschaftliche Arbeitsplätze unmittelbar in das Projektgeschehen einbeziehen wollen. Ziel ist es, die Vernetzung nicht nur auf fachlichem, sondern auch auf sozialem Gebiet unmittelbar für ein positives Arbeitsumfeld zu nutzen. So beginnt derzeit gerade die Planungsphase der gemeinnützigen Wohngenossenschaft adhoc. Sie wird mitten im neuen wirtschaftlichen Zentrum im Stadtteil Kirchberg der Hauptstadt Luxemburgs ein Wohnprojekt mit 30 Wohnungen und rund 25 Arbeitsplätzen im Aktivitätsbereich für das Coworking errichten. Die Arbeitsplätze werden teilweise von der Bewohnerschaft für deren eigene berufliche Aktivitäten genutzt. Vertreten sind vor allem das Grafik-Design, Werbeagenturen, Filmproduktion, Kunst und Theater. Rund die Hälfte der Plätze steht Externen zur Verfügung. Das Projekt will damit vor allem Vorteile aus der Vernetzung erzielen. Der Standort ist umgeben von einer Vielzahl großer Einrichtungen der Europa-Politik, des Finanzwesens, der Luxemburger Verwaltung und zahlreichen Forschungseinrichtungen, außerdem vielen Wohnungen in eher steril anmutendem Ambiente.
Auch der Stadtteil Kirchberg glich in der Hochphase des Corona-Geschehens einer Geisterstadt. Ein Grossteil der rund 40.000 Arbeitsplätze am Standort wurde ins Homeoffice verlegt. Zu spüren bekamen das auch die Coworking-Spaces. Vor allem Konferenzräume waren nicht mehr gefragt. Die Zahl der Arbeitsplätze wurde verringert und mechanische Barrieren erforderten einen erhöhten Investitionsaufwand.
Eine Situation, so waren sich die Teilnehmer der Veranstaltung allerdings einig, die sich für Coworking-Spaces in Wohnprojekten anders darstellt. Denn sie sind, zumindest was die Arbeitsplätze der Bewohnerschaft anbetrifft, weniger scharfen Kontaktbeschränkungen unterworfen, als sie für Externe gelten. Die Kombination aus Wohnen und Arbeiten bietet damit in Krisensituationen deutliche Vorteile. Sie überwiegen die wirtschaftlichen Zusatzbelastungen bei Weitem.
Von Seiten der Architektur wird als Antwort auf die Kontaktbeschränkungen in diesen Coworking-Spaces somit auch nur ein sehr geringer Anpassungsbedarf gesehen. Die Flexibilität der Raumgestaltungen mache solche Anpassungen meist sogar bereits jetzt problemlos möglich. Mehr Augenmerk, hieß es einhellig aus der Diskussionsrunde, sei jedoch einer Barriere zwischen Wohnen und Arbeiten zu schenken. Entdecken die Kinder, die in der Krisensituation zu Hause bleiben, den Aktivitätsbereich auch für sich als Spielwiese und übt vielleicht der Kaffeeautomat nun auch auf die Bewohner eine hohe Anziehungskraft aus, kann es mit ungestörtem Arbeiten schnell vorbei sein. Hier, so die Forderung, sollte die Architektur sich auf neue Denkweisen einstellen. Gefragt sei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kontaktförderung und psychologischer Betonung der Arbeitszone. So blieben die Wohnbereiche vom Arbeitsbereich ausreichend separiert.
Eine klare Absage machten die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung dem Trend zum Homeworking. Einhellig wurde von Schwierigkeiten berichtet, die sich im Umfeld der eigenen Wohnung zwischen Familienleben und Heimarbeit ergaben. Für Wohnprojekte folge daraus eine klare Forderung für eigens eingerichtete Coworking-Zonen. Schon der Unterschied von einer Etage zwischen Wohnen und Arbeiten reiche aus, um allen Beteiligten das Miteinander deutlich zu erleichtern. Für die Wohnprojekte ergeben sich daraus auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile. So kalkuliert das Wohnprojekt auf dem Kirchberg nach dem Luxemburger Preisniveau allein die Baukosten auf rund 50.000,- Euro je privatem Büroraum in der Wohnung. Die Auslagerung in einen Coworking-Bereich würde diese Kosten bezogen auf einen Arbeitsplatz etwa halbieren. Und zusätzlichen sozialen Nutzen generieren.
Interessanterweise, so berichteten soziale Organisationen, ergibt sich dieser Nutzen auch für Bewohnerkreise, die gar keinen Arbeitsplatz in Wohnnähe benötigen. Menschen aus sozial prekären Situationen sind überwiegend in Arbeitsverhältnisse mit eher handwerklichen Aufgaben eingebunden. Dennoch profitieren sie vom Coworking-Space im Haus, der kaum Raum für solche Aufgaben bereitstellen kann. Aber dessen Dynamik und Vernetzung stabilisiert die soziale Situation im Zusammenleben der Hausbewohner insgesamt. Eine Perspektive also, die Coworking-Spaces auch im Sozialwohnungsbau interessant machen könnte.
Bild: ballinipitt