Immer mehr junge Menschen zieht es raus auf’s Land. Doch oft ist es nicht leicht, im ländlichen Raum anzukommen. Es gibt bereits geschlossene Dorfgemeinschaften und zum Arbeiten bleiben oft nur Pendeln oder Homeoffice als Lösung. Diesen Problemen tritt das KoDorf entgegen. Derzeit findet die erste Umsetzung eines KoDorfs in Wiesenburg statt. Der Ort liegt in Brandenburg und das KoDorf, das dort bald errichtet wird, soll alles bieten: Die Natur und eine ländliche Gegend, aber gleichzeitig die Infrastruktur, die viele in der heutigen Welt brauchen.
Ein KoDorf ist eine Ansammlung kleiner Häuser, kombiniert mit Gemeinschaftsflächen. Durch diese Kombination soll die Gemeinschaft des KoDorfs gefördert werden. Ein Coworking-Space stellt dabei eine der wichtigsten Einrichtungen dar.
Aktuell finden alle Vorbereitungen für den Bau des KoDorf Wiesenburg statt. Der Ort liegt in Brandenburg zwischen Berlin und Leipzig. Dort werden auf einem großen Grundstück 40 kleine Häuser für bis zu vier Bewohner pro Haus entstehen. Außerdem soll es ein WG-Haus und mehrere Baumhäuser für Gäste geben.

Woher die Idee für ein KoDorf kam, was bisher alles schon passiert ist, wie die nächsten Schritte aussehen und wie wichtig ein Coworking-Space für eine Dorfgemeinschaft ist, erklärt uns KoDorf Mitbegründer Frederik Fischer im Interview.

Wie kamst du darauf, das Projekt KoDorf ins Leben zu rufen?

„Ich habe mich schon lange mit dem Gedanken beschäftigt, als Gemeinschaft raus zu ziehen auf’s Land. Ich hatte so ein Bedürfnis nach einem Leben, das man so in der Großstadt nicht leben kann. Dann habe ich aber schnell festgestellt, dass es sehr schwer ist, wenn man alleine raus zieht, dort anzukommen. Wenn man nicht der klassische Rückkehrer ist, der auf frühere soziale Kontakte zurückgreifen kann, ist das sehr mühsam. Darum habe ich von Anfang an daran gedacht, das als Gemeinschaft zu machen, idealerweise natürlich mit Freunden.
Das ging dann alles über Umwege. Zuerst haben wir uns ganz klassisch Seidenhöfe und Gutshäuser angeschaut. Also alles große Objekte, wo man theoretisch mehrere Wohnungen rein bauen könnte. Das hat sich aber letztendlich nie richtig angefühlt, weil ich eigentlich keine WG wollte, sondern meine Privatsphäre. Mein eigenes kleines Haus und die Gemeinschaft noch dazu. Und das hat sich nicht anders lösen lassen als tatsächlich ein ganzes Dorf zu bauen.
Nach zwei Sommern, in denen ich durch Brandenburg gefahren bin und mir die ganzen Häuser angeschaut habe, habe ich dann die Hoffnung fast wieder aufgegeben. Der Rest war dann eigentlich Zufall. Meine Schwägerin hat in den Niederlanden geheiratet und hat die Gäste in ein Feriendorf eingeladen. Da hatte jeder sein eigenes Häuschen, aber es gab trotzdem dieses Gemeinschaftsgefühl. In dem Moment ist bei mir der Groschen gefallen. Das einzige, was es in dem Feriendorf nicht gab, war die nötige Infrastruktur wie ein Coworking-Space oder eine Küche mit langer Tafel, die man braucht, wenn man dort dauerhaft leben und arbeiten möchte. Und so ist dann das KoDorf entstanden.“ 

Die Häuser im KoDorf sind ja so vorgegeben und nicht jeder bekommt ein komplett individuelles Haus. Sind es denn davon abgesehen im Grunde ganz normale Häuser?

„Die Häuser sind mit allem ausgestattet, was man braucht. Aber sie sind sehr klein. Wir haben 24qm, 60qm und 80qm. Das ist schon Teil des Konzepts, die bewusst klein zu halten, damit man auch einen Anreiz hat, die Gemeinschaft wirklich zu nutzen. Wir verstehen uns als eine Art Gegenmodell zu Einfamilienhaussiedlungen, wo es wenig oder gar keine gelebte Gemeinschaft gibt. Wenn bei uns jeder auf einem großen Grundstück lebt und sich eine Hecke um sein Haus baut, dann geht die Gemeinschaft irgendwo verloren. Das war für uns wichtig, die Häuser bewusst klein zu halten, damit die Leute bewusst in die Gemeinschaft gehen. Aber das soll auch kein Zwang sein. Man kann da locker in einer Situation wie jetzt mit dem Coronavirus wochenlang im Haus bleiben und würde nichts Essentielles vermissen.“

Noch wohnt ja niemand im KoDorf. Aber was ist denn bisher schon alles passiert? Sind die Häuser alle schon reserviert?

„Wahrscheinlich ja. Wir wissen es nicht ganz genau, denn wir entscheiden das nicht alleine. Die Interessenten können sich bei unseren alle zwei Monate stattfindenden Treffen ein Bild vom KoDorf machen. Wer dann Interesse hat und Mitglied werden möchte, der muss dann im Nachgang einen Fragebogen ausfüllen. Den Fragebogen schicken wir dann in der KoDorf-Gemeinschaft rum und die entscheiden dann letztendlich, wer aufgenommen wird und wer nicht. Im Moment haben wir aber ausreichend Steckbriefe, um voll besetzt zu sein, wenn alle aufgenommen werden. Es kann aber natürlich sein, dass die Gemeinschaft sich aus diversen Gründen gegen jemanden entscheidet, wodurch dann wieder Plätze frei werden würden.“

Was sind die nächsten Schritte, wenn ihr sagt, ihr habt jetzt alle Häuser besetzt?

„Parallel angeschoben haben wir schon die Bauchrechtsschaffung. Wir müssen jetzt 40 Behörden einschalten, um Baurecht zu schaffen und dann loslegen zu können. Wir haben jetzt zum Beispiel Naturschützer beauftragt, die schauen, ob es gefährdete Tierarten gibt. Wir haben Vermesser beauftragt, die das Grundstück und das Sägewerk vermessen. Wir haben Gutachter beauftragt für eine Altlastenuntersuchung. Das sind all die Sachen, die im Hintergrund laufen und die hoffentlich bis Ende des Jahres abgeschlossen sind. Wenn alles gutgeht, können wir dann mit dem Bau beginnen.“

Du hast ja bereits den Coworking-Space erwähnt. Welche Rolle spielt der bei der ganzen Sache? Arbeiten die Leute wenn möglich alle dort oder ist er eher für zwischendurch gedacht? Wie ist da eure Idealvorstellung?

„Der Coworking-Space ist für uns von total zentraler Bedeutung. Allerdings glaube ich, dass man Coworking im ländlichen Raum nochmal ein bisschen anders denken muss. Wir hatten auch Erfahrung gesammelt mit dem Projekt ‚Summer of Pioneers‘, das ich im letzten Jahr in Wittenberge initiiert habe. Da haben wir Kreative auf’s Land geholt und zusammen mit unseren Partner CoWorkLand einen Coworking-Space gebaut. Und da hat sich gezeigt, dass der Coworking-Space nicht nur ein Ort der Arbeit ist, sondern ganz stark auch ein sozialer Ort und ein Ort für Kultur. Auf dem Land passiert da viel mehr als in der Großstadt, wo Menschen einfach nur zum Arbeiten kommen und dann wieder gehen.
Ich denke, dass der Coworking-Space im KoDorf ein ganz zentraler Ort werden wird. Die Gemeinschaftsnutzung stellen wir der Gemeinschaft ja auch grundsätzlich frei. Das heißt, wir haben natürlich alle möglichen Ideen wie einen Hofladen, eine Werkstatt oder eine Gärtnerei. Aber da sind wir Dienstleister und sagen, das kann die Gemeinschaft entscheiden. Das Einzige, was wir von Anfang an gesagt haben, war, dass für das Konzept der Coworking-Space zwingend notwendig ist. Denn es ist neben einem Arbeitsplatz auch eine lange Tafel, wo man zusammen essen kann, wenn man möchte oder wenn man Freunde einladen will, weil die Häuser dafür einfach zu klein sind.“

Nun hat ja leider nicht jeder die Möglichkeit, direkt ein ganzes Dorf zu bauen. Was glaubst du, wie man das Leben auf dem Land trotzdem attraktiver oder wieder moderner gestalten kann?

„Zunächst einmal glaube ich fest an Coworking und Coworking-Spaces. Ich bin überzeugt, dass die im ländlichen Raum ganz viel bewirken können. Aber mal abgesehen davon müsste man vor allem etwas gegen den (Laden-)Leerstand machen. In Wittenberge hat eine Gruppe von TeilnehmerInnen des Summer of Pioneers einen solchen Ort reaktiviert und in einen sogenannten Stadtsalon verwandelt. Dort finden nun niedrigschwellige Veranstaltungen statt, wie zum Beispiel Erzähl-Cafés, wo ältere Menschen über ihre Erinnerungen sprechen können. Oder Tausch-Safaris, wo man Klamotten tauschen kann. Also ganz einfache Angebote, die meiner Erfahrung nach aber super angenommen werden. Solche Angebote sind in vielen ländlichen Gegenden einfach weggebrochen. Sowas ist auch wichtig für Leute, die aus der Stadt auf’s Land ziehen, damit sie in die Gemeinschaft finden und nicht ihn ihrer eigenen Blase leben. Durch solche Formate kann man aber positiv wahrgenommen werden. Man muss es aber nicht dabei belassen. In Wittenberge haben wir dann auch manchmal abends Musik aufgelegt, wir haben eine Dokureihe über Klimawandel angeboten und hatten Vorträge über Digitalthemen. Diese Mischung aus niedrigschwelligen Angeboten und Angeboten für eine urbane Zielgruppe, hat sich dort sehr bewährt. Das funktioniert super.
Solch ein Kulturangebot ist sehr wichtig im ländlichen Raum. Das ist aber leider oft nicht mehr vorhanden, besonders nicht für die junge Zielgruppe.“

Das erste KoDorf steht zwar noch relativ am Anfang, aber sind noch mehr Dörfer geplant?

„Ja, absolut. Das war von Anfang an der Plan. Wir wollten es nie bei einem Ort belassen. Wir wären auch eigentlich gerade dabei, die nächsten zwei Dörfer vorzustellen und wollten dort in den nächsten Wochen die Infoveranstaltungen starten. Da sind wir durch das Coronavirus jetzt leider ausgebremst und müssen das verschieben. Darüber, wie es weitergeht, werden wir aber dann bald informieren.“

Dann wünschen wir euch viel Erfolg für die kommenden Planungen und vielen Dank für das Interview!