Ein Schreibtisch für den Laptop ist im herkömmlichen Coworking Space ein essenzieller Bestandteil der Einrichtung. Doch es gibt auch Spaces, in denen es keine (oder nicht nur) Bürostühle, Schreibtische und Drucker gibt. Dass Coworking nicht immer mit Büroarbeitsplätzen zu tun haben muss, zeigt zum Beispiel das BÄM! in Hannover, in dem Arbeitsplätze für die Beauty-, Wellness-, Sport- und Gesundheitsbranche zur Verfügung gestellt werden.
Ein Friseursalon, in dem es mehr Stühle gibt als Kunden. Leerstand, der trotzdem Miete und Nebenkosten mit sich bringt. Wie ist da die Rechnung? Lohnt sich ein eigener Salon dann wirklich? Diese Fragen stellte sich der Gründer des BÄM! in Hannover vor ein paar Jahren. „Er dachte sich, es wäre doch toll, wenn man sowas wie einen Friseurstuhl oder einen Kosmetikplatz bei Bedarf kurzfristig anmieten könnte“, erzählt seine Schwester Silke Tabel, die Storemanagerin im BÄM! ist. So war die Idee geboren, einen Coworking Space für verschiedene Dienstleister zu eröffnen. Sie selbst ist Schmerz- und Gesundheitstherapeutin und seit März 2020 an der Umsetzung des ersten Beauty & Wellness Coworking Space in Hannover beteiligt.
Über 78 Berufe finden ihren Platz im BÄM!
Insgesamt finden sich im BÄM! auf über 700qm 45 Arbeitsplätze für über 78 Berufe. Zur Verfügung gestellt werden 17 Friseurstühle, drei Schminktische, drei Nageltische, vier Kosmetikkabinen, drei flexible Kabinen, drei Sporträume für Kurse oder Physiotherapie und ein kleines Besprechungszimmer. „Jeder, der eine Praxis, einen Salon oder ein Studio hat oder braucht, kann bei uns mieten“, erklärt Silke.
Der Start war durch Corona natürlich nicht leicht. Frieseure, Kosmetiker, Nageldesigner – sie alle, die die Hauptnutzer des BÄM! sind, durften im Lockdown nicht arbeiten. „Wir haben dann eine Zeit lang Standby gearbeitet, dann war nur jemand hier, wenn es auch Buchungen gab.“ Inzwischen kann mit ausführlichen Hygienekonzepten für Nutzer und Kunden aber normal im BÄM! gearbeitet werden. Für die Buchung im BÄM! wurde eine eigene App entwickelt, die es den Nutzern auch ermöglicht, direkt mit den Kunden den nächsten Termin auszumachen und dafür einen Platz im Space zu buchen.
Auch für Equipment ist gesorgt
Wie im herkömmlichen Coworking Space werden auch im BÄM! möblierte Plätze zur Verfügung gestellt. Alles Weitere, was es zum Arbeiten braucht, können die Nutzer selbst mitbringen. Allerdings gibt es auch einen Shop, in dem Coworker sich mit allem nötigen Zubehör eindecken können – zum Beispiel auch, wenn sie neue Pflegeprodukte ausprobieren möchten, mal das Shampoo leer geht oder jemand seine Yogamatte vergessen hat. Auch Produkte, die direkt an die Kunden weiterverkauft werden können, sind im Shop erhältlich. „Unsere Friseur- und Kosmetikkabinen sind so ausgerüstet, dass pro Kunde Handtücher zur Verfügung stehen und für die Physio-Liegen stellen wir Bezüge bereit. Die Grundausstattung für die Plätze ist bei uns also im Preis enthalten“, erklärt Silke. Auch ein Gäste-WLAN für die Kunden und weitere Ausstattung wie Aromabedampfer und UV-Lampen oder die technischen Geräte für den Friseurbereich sind inklusive. „Für Sachen, die die Coworker selbst mitbringen wollen – wenn also zum Beispiel eine Friseurin ihren eigenen Föhn benutzen möchte – haben wir Stauraum und Spinde, die für einen beliebigen Zeitraum angemietet werden können.“ Zudem gibt es eine kleine Küche, in der Getränke und Snacks angeboten werden.
Ein solches Konzept auszuarbeiten, war sehr zeitaufwändig. „Am Anfang stellte sich die Frage, was wir alles in unserem Shop brauchen für 78 Berufe, die bei uns unterkommen können.“ Im Shop des BÄM! findet sich alles, was das Nutzerherz begehrt. „Dann muss ich ja überlegen, was braucht zum Beispiel die Kosmetikerin, wenn sie herkommt, was will sie im Shop vielleicht kaufen?“ Das Team des BÄM! hatte den Anspruch, es auch den Kunden ihrer Nutzer möglichst gemütlich und bequem zu machen. „Dafür muss ich schon ein bisschen über die Dinge Bescheid wissen und auch wissen, wo man Dinge schnell herbekommt, wenn ein Mieter sie braucht.“
Kein Konkurrenzdenken in der Community
„Unsere Nutzer buchen immer wieder“, erzählt Silke. „Die Idee hinter dem Konzept hat unsere Coworker einfach überzeugt. Denn sie zahlen ja nur dann Miete, wenn sie auch etwas verdienen. Außerdem gibt es dann für einen geringen Preis das Komplettpaket mit Grundausstattung und die Nutzer müssen nur schnell ihre eigenen Sachen hinstellen, die Kundin behandeln und dann gehen sie wieder.“ Besonders für StartUps sieht Silke wirtschaftliche Vorteile durch das Konzept, aber „auch für Leute, die das vielleicht nur nebenberuflich machen. Weil Kosmetikerin ihre Berufung ist oder weil sie gerade eine Ausbildung zum Yoga-Lehrer gemacht haben und das nun auch praktizieren möchten. Das sind dann auch Leute, die das nur deswegen nebenher machen können, weil sie hier problemlos mieten können.“
Dadurch, dass sich im BÄM! immer wieder die gleichen Nutzer begegnen, ist eine sehr freundschaftliche Atmosphäre entstanden. „Konkurrenzdenken ist hier fehl am Platz“, sagt Silke. „Hier treffen zwar zum Beispiel mehrere Kosmetikerinnen aufeinander, aber die wissen dann auch genau, dass die eine dies und die andere jenes anbietet.“ An Konkurrenz ist hier gar nicht zu denken. Im Gegenteil: „Neulich kam eine Masseurin zu mir und hat mich gefragt, ob ich denke, dass eine andere Masseurin ihr vielleicht ein paar Termine abnehmen könnte“, erzählt die Storeleiterin. Sie sei erst ganz überrascht von der Frage gewesen, freute sich dann aber sehr darüber, dass die Community sich untereinander so unterstützt.
Vom BÄM! direkt ins Nachtleben
Von der Nähe zu anderen Dienstleistern profitieren die Nutzer zudem ebenfalls. „Ich kann hier als Kunde ganz schnell von einem zum anderen Anbieter gehen. Erst mache ich Sport, dann gehe ich zum Friseur, danach zur Kosmetikerin, anschließend lasse ich mir die Nägel machen und danach kann ich von hier direkt los – ob zu einer Feier oder ins Nachtleben, das hier direkt vor der Tür stattfindet.“ Sie kann sich sehr gut vorstellen, dass das BÄM! in Zukunft Anlaufstelle für Mädelsnachmittage und -abende oder auch Junggesellinnenabschiede wird.
Zudem soll es bald noch mehr Angebote im BÄM geben. „Wir möchten gerne Schulungen anbieten, am liebsten in einem extra Schulungsraum“, erzählt Silke. „Und wer weiß, was sonst noch alles kommt und ob es BÄM! nicht auch in Zukunft noch wo anders geben wird.“