Coworking-Spaces: Ein Erfolgsgarant für Startups – Kapitel 4 – Auseinandersetzung

 

4 Auseinandersetzung mit den erarbeiteten Annahmen

Nachdem die Rahmenbedingungen und Vorbereitungen abgeschlossen wurden, widmet sich dieses Kapitel nun der eigentlichen Analyse der Coworking Spaces. Wie bereits erwähnt soll diese anhand der im Vorfeld gebildeten Kategorien erfolgen.

4.1 Kosten und Ausstattung

Eines der ersten Kriterien, das den AutorInnen schon zu Beginn der Recherche ins Auge gesprungen ist und für die Arbeit in einem Coworking Space sprach, ist die Kostenersparnis und die Ausstattung der Räumlichkeiten.

Für Coworker fallen deutlich weniger fixe Kosten an, als bei der Anmietung eigener Büroräume. Gerade im frühen Gründungsalter ist dies ein enormer Vorteil. Der Beitrag für die Mitgliedschaft beinhaltet sämtliche Nebenkosten von der Gebäudeversicherung, über Serviceverträge für Drucker und Internet, bis hin zum Toilettenpapier. Mitgliedschaften gibt es maßgeschneidert für den Bedarf eines jeden Coworkers. Für wenig Geld bekommt man unglaublich viel und bezahlt nur das, was man auch wirklich braucht. Diese Möglichkeit und das damit verbundene attraktive Kosten-Nutzen-Verhältnis senken das Risiko für Startups ungemein (vgl. Schürmann 2013, S. 96). Aber mehr noch: Mit einem professionellen und architektonisch repräsentativen Ambiente, meist in bester Lage, eignen sich Coworking Spaces ideal für den Empfang von Kunden (vgl. ebd., S. 58). So ist die zentrale Idee von Coworking Spaces im Bereich Kosten und Ausstattung, eine effiziente Nutzung von knappen Ressourcen mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen und Kosten zu sparen (vgl. Brühl 2015). So zahlen Coworker abhängig von der Nutzungsintensität verschieden Raten für einen Arbeitsplatz inklusive zugehöriger Infrastruktur. Die monatliche Rate ist nicht nur abhängig von der Nutzungsintensität, sondern auch von der Art des genutzten Arbeitsplatzes. Wie bereits angedeutet gibt es unterschiedliche Möglichkeiten im Coworking Space zu Arbeiten. Sei es an flexiblen Arbeitsplätzen, nach dem First-Come-First-Served Prinzip oder aber an fest gemieteten Arbeitsplätzen oder gar privaten Büroräumlichkeiten, welche Platz für kleinere Teams bilden (vgl. Hartmann 2016).

Dies wurde auch seitens der Interviewpartner bestätigt. So meinte Moritz B., dass nicht nur der Coworking Space an und für sich, aber auch der Zugang zu kostengünstigen Räumlichkeiten letztendlich dazu beigetragen hat, dass er sich mit zwei Freunden selbständig gemacht hat. So haben sich die jungen Gründer dauerhaft im Coworking Space in Karlsruhe eingemietet und nutzen ihre Räumlichkeiten dort als Geschäftsadresse. Dieser Eindruck wurde auch von Tobias Kollewe bestätigt, welcher meinte, dass es gerade für JungunternehmerInnen sehr attraktiv sei, den Zugang zu voll ausgestatteten Räumlichkeiten mit Hochgeschwindigkeitsinternet, Druckern und ähnlichem nutzen zu können. Nicht nur die Nutzung an sich sei attraktiv, sondern auch die Möglichkeit dies, ohne hohe finanzielle Ausgaben tätigen zu müssen und sich lange Vertragslaufzeiten durch das Anmieten von Bürokapazitäten aufzubürden. In Coworking Spaces lassen sich diese je nach Bedarf und finanziellen Mitteln flexibel anmieten oder wieder aus der Mitgliedschaft streichen. Hinzu kommt die Möglichkeit, laut Moritz B., Konferenzräume zu buchen, um Geschäftskunden einzuladen und schon zu Beginn ein professionelles Auftreten gewährleisten zu können.

Dieser Eindruck konnte seitens der AutorInnen beim Betreten der Lokhalle in Freiburg auch bestätigt werden. Ein sehr angenehmes Ambiente, mit Café und Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich, den jeweiligen fest gemieteten Bürocontainern, Konferenzräumen und flexiblen Arbeitsplätze in Großraumbüros. Alles bestückt mit dem Mobiliar von Vitra Designmöbel, welche sich ebenfalls in der Lokhalle in Freiburg eingemietet haben.

So viel zu den positiven Aspekten der Coworking Szene. Doch auch hier ist nicht alles Gold was glänzt. Denn all die Vorteile eines Coworking Spaces funktionieren auch im Bereich der Kosten und Ausstattung nur in einem gewissen Rahmen. So haben Erfahrungen in der Praxis, auch seitens unserer interviewten Personen gezeigt, dass man auch schnell für etwas bezahlt, was man nicht so frei und flexibel nutzen kann wie es in der Theorie angepriesen wird. So gibt es keine maximale Teilnehmerzahl in Coworking Spaces. Ganz im Gegenteil, denn um wirtschaftlich zu sein, so Kollewe, muss ein Coworking Space eine Auslastung von 160% haben. Flexibilität in der Platzwahl und im Buchen von Büroräumen ist daher nur so lange möglich, wie es die Besucherzahl im Coworking Space zulässt. Auch ist Kostenersparnis nicht gleich Kostenersparnis. Zwar wird einem erspart langfristige Mietverträge einzugehen, jedoch können die Mitgliedspreise zwischen einzelnen Coworking Spaces stark variieren. So sind, laut Moritz B., die Beiträge in der Lokhalle in Freiburg drei Mal so hoch wie im Perfekt Future in Karlsruhe. Die Preisunterschiede lassen sich unter anderem auf die hochwertige Einrichtung zurückführen. Man bezahlt also an manchen Stellen doch für etwas, was man evtl. nicht unbedingt braucht. Eine Studie von Julie Brown (2017) hat ergeben, dass die vermeintliche Kostenreduktion oft kein ausschlaggebender Grund sei, den Coworking Space als Alternative zum Home-Office zu wählen, da zur Mitgliedschaft erhebliche Zusatzkosten anfallen. Ein weiteres Ergebnis ist stark variierende Nutzungsintensität unter den Coworkern. Etwas mehr als ein Viertel der Studienteilnehmer arbeitet nur unregelmäßig vom Coworking Space. Als Grund wurde hier unter anderem die beschränkten Öffnungszeiten genannt, da der Zugang am Wochenende oft nicht möglich ist. Außerdem können es sich die Befragten den Zugang nicht öfter als 1-2 Tage die Woche leisten. Lediglich ein Viertel nutzt den Coworking Space jeden Tag.

4.2 Motivation und Produktivität

Doch nicht nur der Punkt der Kosteneinsparung treibt jährlich mehr und mehr NutzerInnen in die deutschen Coworking Spaces. Einen Vorteil, den vor allem ehemalige Homeworker sehr zu schätzen wissen, ist die fehlende Versuchung bis zur Mittagszeit im Pyjama zwischen Netflix, Kühlschrank und PC zu pendeln (vgl. Schürmann 2013, S.96). Nach Brown (2017) ist das physische und vor allem psychische Separieren von Arbeits- und Privatleben für viele Coworker ein ausschlaggebender Grund im Coworking Space zu arbeiten. Hinzu kommt der Wunsch nach einem professionellen Arbeitsumfeld und das Streben unter Gleichgesinnten zu arbeiten.

In einer zunehmend virtuellen und eher dezentral organisierten Arbeitswelt, in der man mit dem Laptop von überall auf der Welt arbeiten kann, wird das Risiko der sozialen Isolation gefördert. Eben jener Problematik entgegnet das Konzept des Coworking Space. Ein soziales Umfeld in Form einer lebhaften Arbeitsatmosphäre. So motiviert die Arbeit mit oder auch nur im Umfeld von Leuten in gleicher oder ähnlicher beruflicher Situation, soll die eigene Leistungsfähigkeit fördern und das Selbstvertrauen stärken. Auch hier steht die Flexibilität den Annahmen übergeordnet, so beflügelt die gewonnene Freiheit durch eben jene Flexibilität und unterstützt NutzerInnen sowohl während, als auch außerhalb der Arbeit und somit das Vereinbaren von Job und Privatleben. Dieses Geschäftsmodell ist die Antwort auf den Wunsch nach mehr Work-Life-Balance (vgl. Schürmann 2013, S 97f). Zusätzlich zur flexiblen, von Zeit und Infrastruktur unabhängigen Nutzung des Coworking Space stellt die nicht erforderliche Verantwortungsübernahme für organisatorische Aufgaben weitere Beweggründe für die Nutzung dar. In einer weltweiten Untersuchung wurde ebenfalls dargestellt, dass sich Beschäftigte, nämlich 70% von über 1500, in Coworking Spaces subjektiv gesünder wahrnehmen und bewerten als in einem klassischen Arbeitnehmerverhältnis oder alternativ im Home-Office (vgl. Global Coworking Survey 2017). Die Studienergebnisse wurden unter Einbezug einer subjektiv wahrgenommenen höheren Autonomie und Selbstbestimmtheit diskutiert. Als Limitation dieser neu gewonnenen Freiheit hat diese Studie allerdings ergeben, dass das Arbeiten in Coworking Spaces, durch die Vorgabe von Öffnungszeiten dazu beiträgt, den Rahmen für eine individuelle Tagesstruktur zu schaffen und so mehr oder weniger doch Arbeitszeiten vorgegeben werden (vgl. Pohler 2012).

Die Motivation in der Lokhalle in Freiburg zu Arbeiten ist ungemein groß, aber nicht um richtig produktiv zu sein, sondern eher um Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen auszutauschen“, so Moritz B. Er sieht sich eher als Socializer unter den Coworkern. „Wenn ich richtig produktiv sein möchte schließe ich mich mit Musik zu Hause in meinem Kämmerchen ein und kann 3-4 Stunden am Stück programmieren“. Jedoch gibt es auch Beispiele, in denen es sich gänzlich anders verhält. So berichtete Tobias Kollewe in unserem Interview, von einem Gegenbeispiel. Das Programmierungsteam des Vergleichsportals Check24, miete sich regelmäßig in Coworking Spaces ein. Auf die Frage warum und ob sie keine Arbeitsplätze im Unternehmen hätten, kam die Antwort, dass sie hier viel produktiver seien als bei Check24. Im Coworking Space gäbe es weniger Ablenkungen für sie und es käme keiner der KollegInnen oder Vorgesetzten, um nach dem Zwischenstand oder ähnlichem zu fragen.

Diese zwei sehr unterschiedlichen Aussagen decken sich allerdings sehr gut mit den Eindrücken der AutorInnen und den Ergebnissen des Global Coworking Surveys (2017) und Brown (2017). Es lässt sich sagen, dass die Arbeit im Coworking Space einen positiven Einfluss auf die Motivation der NutzerInnen hat, jedoch kann man nicht pauschal sagen, dass die Produktivität ebenfalls steigt. Hierbei ist ausschlaggebend welche Coworker-Rolle man selbst einnimmt. Wie bereits im Vorfeld erwähnt muss hier unterschieden werden zwischen Utilizer, Learner und Socializer. Anhand dieser Gruppierung unterscheidet Brown (2017) auch die Motivatoren und Bedürfnisse.

4.3 Inspiration und Kreativität

Man sitzt allein in seinem Kämmerchen zu Hause und grübelt schon seit Tagen wie sich das Projekt umsetzen lässt. Alles steht, nur dieses kleine Problem, welches sich nicht lösen lässt und einen fast in den Wahnsinn treibt. Nur allzu oft drehen sich Homeworker mit ihren Ideen im Kreis, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Ein Coaching beim Erstellen des Businessplans, ein Workshop zum Thema Webdesign oder ein wertvoller Tipp von einem Kollegen zwei Tische weiter ist in solch einer Situation Gold wert. Coworking Spaces bieten ein unglaubliches Potenzial für Innovationen und kreatives Denken. Dies deckt sich auch mit der Auffassung unserer Interviewpartner. So bedient sich Moritz B. zwar eher der Hilfe seiner Mitgründer, wenn es um den kreativen Austausch geht, ist aber davon überzeugt, dass Coworking Spaces gerade Startups helfen ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und zudem Hilfe an jeder Stelle zu bekommen.

Brown (2017) unterstreicht diese Annahme. Coworking Spaces sind ein Ort der spontanen Begegnungen, des offenen Wissensaustauschs und spontanen Kollaborationen. Wichtig ist dabei die Zusammensetzung der Community innerhalb des Coworking Space. In der Literatur gibt es an dieser Stelle unterschiedliche Ansichten darüber wie divers bzw. homogen die Community sein sollte. Sowohl im Hinblick auf die Nutzer an sich, als auch im Bereich der Branchen.

So führt, nach Tapscott (2007) eine höhere Diversität zum Öffnen von Innovationsprozessen und somit zu zahlreicheren, unterschiedlicheren und teilweise auch radikaleren „out-of-the-box“ Ideen, mit denen ein Unternehmen, in unserer schnelllebigen Wirtschaft, dem zunehmenden Innovationsdruck besser standhalten kann. Wozu ein solcher Prozess in Verbindung mit neuesten technischen Möglichkeiten, abgestimmt auf eine neue Arbeitskultur fähig ist, wird im Beispiel von Wikipedia deutlich. Die Plattform sei nun schon zehn Mal umfangreicher als die Encyclopedia Britannica und in unserer Gesellschaft nahezu überall zugänglich. Dieser Ansicht ist auch Tobias Kollewe: „Durch homogene Coworking Spaces kann Kreativität verloren gehen. Man ist zu festgefahren auf eine spezifische Branche. Aber dabei kommt es auch sehr darauf an, was die Motivation der Coworking Space GründerInnen ist. Edeka zum Beispiel will in ihrem Food-Tech-Campus in Berlin nur Foodstartups, welche sie dann akquirieren können.

Capdevila (2014) dagegen kommt zu dem Schluss, dass sich Coworking Spaces immer mehr auf eine homogenere Community konzentrieren. Angesichts der hohen Fluktuation und unsicheren wirtschaftlichen Tragbarkeit vieler Coworking Spaces folgen ManagerInnen oft, ob bewusst oder unbewusst, einem Auswahlprozess, um gewährleisten zu können, dass die MitgliederInnen „passen“ und niemand aus der bestehenden Community den Coworking Space verlässt, weil seine Bedürfnisse oder speziellen Anforderungen nicht befriedigt werden.

Coworking Spaces werden zurzeit meist von Kreativen und Fachkräften im Bereich Informationstechnik genutzt. Sie haben ein hohes Kreationspotenzial, das durch eine enge Vernetzung untereinander sowie durch Coaching, Gründungsförderung, Trainings- und Networking-Veranstaltungen gestärkt wird (vgl. Bouncken 2016). Gerade Veranstaltungen, um ein Netzwerk auf- und auszubauen und Kontakte zu externen Unternehmen zu knüpfen befördern und erleichtern die Selbstwirksamkeit des Gründungserfolges (vgl. McGee et al. 2009). Allerdings ist unklar, nach Bouncken (2016), ob Kreativität und Innovation auch längerfristig überlebensfähig sind. So können Coworking Spaces zu einer Keimzelle für Unternehmensgründungen jeder Art mutieren und sogar ein Filter für die NutzerInnen von Coworking Spaces werden, die nachhaltige Geschäftsmodelle mit Wachstum nicht schaffen oder auch gar nicht anstreben. Naheliegend ist aber, dass Coaching, Grünungsförderung, Trainingsangebote und Kontakte zu Externen einen wesentlichen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit von Startups haben. Coworking Spaces können sich in diesem Zusammenhang als soziale, infrastrukturelle und technische Plattformen für temporäre und langfristige Netzwerke und Kooperationen entwickeln. Ein solches Ökosystem erlaubt eine dynamische Arbeit in einem innovativen Umfeld. Es kann die statischen Arbeitsabläufe von Großunternehmen aufbrechen und Innovationsschübe leisten. Grundsätzlich muss eine solche Zusammenarbeit nicht auf große Unternehmen und größere Coworking Spaces beschränkt sein. Vielfach ist gerade in ländlichen Regionen die Zusammenarbeit zwischen regionaler Wirtschaft, Universitäten, Forschungslaboren und der Startup-Community wenig ausgeprägt und kann so durch Coworking Spaces weiterentwickelt werden (vgl. Fuzi 2015).

Unabhängig davon in welcher Branche Startups tätig sind, ist es von Vorteil sich an Coworking Spaces zu orientieren in denen die Community die gleichen Vorstellungen und Bedürfnisse hat und so ein Schelling-Point entstehen kann.

4.4 Networking

Mit der abgeschlossenen Mitgliedschaft im Coworking Space erlangt man den Zugang zur Räumlichkeit und einem bereitgestellten Tisch. Coworking Spaces aber darauf zu reduzieren, wäre jedoch völlig verkehrt. Denn wie die zweite und dritte Kategorie vermuten lässt, ist es die Coworking-Community, die das Herzstück ausmacht. Dieser Ansicht ist auch Tobias Kollewe. Man müsse auf jeden Fall zwischen Flächenvermietung und Coworking Space unterscheiden, so Kollewe. Die fünf Coworking Grundwerte machen hierbei den Unterschied. Durch Kollaboration, Offenheit, Gemeinschaft, Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit soll eine Community entstehen, in der jeder neue Ideen einbringt oder diese gemeinsam entwickelt werden. Es wird diskutiert, bewertet und gemeinsam Neues erschaffen. Es herrscht eine Geben-und-Nehmen-Mentalität. Man hilft anderen Coworkern und profitiert im Gegenzug vom Wissen und den Fähigkeiten der Peers. Auch lassen sich schnell und verhältnismäßig unkompliziert Ad-Hoc-Teams bilden und sogar ganze Businessideen oder auch Geschäftsmodelle umsetzen. Natürlich nur innerhalb der Kapazitäten, die der Coworking Space zulässt. Bei einer herkömmlichen Bürogemeinschaft ist so etwas nur bedingt bis gar nicht möglich (vgl. Schürmann 2013, S. 57). Das Angebot von Coworking Spaces dreht sich also um den für Unternehmen so wichtigen Auf- und Ausbau eines Netzwerks an potenziellen KooperationspartnerInnen, KundInnen, künftigen MitarbeiterInnen, InvestorInnen und weiteren wertvollen Personen. Kurz gesagt sind sie ergiebige Quellen neuer Bekanntschaften. Genau das bildet den eigentlichen Unique-Selling-Point (vgl. Schürmann 2013, S. 43f)

Es gibt in der Theorie nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten durch die Arbeit in einem Coworking Space Kontakte zu knüpfen und ein großes Netzwerk aufzubauen. Die Frage, die sich an dieser Stelle stellt ist allerdings, warum ist das so wichtig? Rank (2014) hat durch die Untersuchung des Effektes der strukturellen Einbettung auf das Überleben eines Startups genau diese Frage behandelt. Zwar ist diese Studie spezifisch für die biotechnologische Branche durchgeführt worden, lässt sich aber im Allgemeinen auf Startups anwenden. So wird zunächst auf die Wichtigkeit von Kollaborationen zwischen Unternehmen jeder Art eingegangen. In unserer schnelllebigen, dynamischen Wirtschaft und der hohen Komplexität ist es einzelnen Unternehmen kaum möglich das gesamte, für den Unternehmenserfolg relevante Wissen zu umfassen. Durch Kollaborationen können jene Unternehmen Know-How transferieren und so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erlangen. Die Grundlage für eine Zusammenarbeit dieser Art bildet ein gut ausgebautes Netzwerk. Diese Netzwerkintegrität ist gerade für Startups in der Gründungs- und Wachstumsphase wichtig, da ihre eigenen Ressourcen in diesen Stadien besonders begrenzt ist, was der Hauptgrund für das Scheitern von JungunternehmerInnen ist. Spezifische Herausforderungen für Startups sind die Notwendigkeit neue Rollen und Systeme zu schaffen, Beziehungen zu Fremden aufzubauen und das Fehlen von sozialem und wirtschaftlichem Kapital. Dieser Auffassung sind auch Klyver und Foley (2012) in ihrer Studie „Networking and Culture in Entrepreneurship“. Es ist allgemein anerkannt, dass soziale Netzwerke einen starken Einfluss auf die unternehmerische Aktivität haben. Es wird argumentiert, dass UnternehmerInnen, die in solch ein Netzwerk eingebettet sind, in ihren Entscheidungen beeinflusst werden und die Chance erhöht wird ihre Pläne erfolgreich abzuschließen. Dabei können die zur Verfügung gestellten Ressourcen unterschiedlichste Formen haben. Von Finanzkapital, über Brancheninformationen, bis hin zu Beratung, emotionaler Unterstützung und anderen nützlichen Tipps. Das Netzwerk ist also Dreh- und Angelpunkt eines jeden Coworking Spaßes und funktioniert, laut Literatur, fast wie von selbst. Nur wie kommt so ein Netzwerk konkret zustande? Wo genau und vor allem wie findet Networking im Coworking Space statt?

Das relevante Netzwerk bildet sich, zum einen aus informellen und sozialen Interaktionen und zum anderen aus gezielten Veranstaltungen. Brinks (2012) beschreibt, dass Offenheit grundlegend für Interaktionsprozesse ist. Es treffen Menschen aufeinander, welche sich nicht kennen. Hier muss sich jeder Coworker zunächst die Frage stellen, ob er oder sie tatsächlich in die Rolle des Socializers passt und ob er oder sie für die Arbeit im Coworking Space gemacht ist, denn es werden Social Skills verlangt. So entstehen Interaktionen entsprechend zweier zentraler Kategorien. Die erste ist die der ungezielten und zufälligen Begegnungen. Diese ungerichteten Begegnungen sind unmittelbarer Bestandteil des Konzepts Coworking. Es entsteht ein Marktplatz der zufälligen Interaktionen. Kopräsenz ist hier das Stichwort. Denn solche Beziehungen entstehen nicht im virtuellen Raum. So haben Befragte der Studie gemeint, dass sie genau dasselbe machen wie zu Hause, nämlich arbeiten. Nur hier können zudem als Nebeneffekt neue Kontakte aufgebaut werden. Meist finden diese zufälligen Begegnungen in den Social Areas der Coworking Spaces statt. Ein zentrales Stichwort ist hier die Kaffeeecke. Diese bildet in den meisten Coworking Spaces die Lebensader. Denn laut Schürmann (2013) verhält es sich ähnlich wie am Küchentisch in Studierenden-WGs, an denen die Welt verändert wird. Zwischen Espresso und Latte Macchiato entstehen die großen Ideen und es ergeben sich spannende Diskussionen sowie der so wertvolle Aus- tausch zu kreativen Innovationen (vgl. ebd., S. 42). Man muss jedoch nicht jeden Tag vor Ort sein. Schon die sporadische Anwesenheit führt zur Integration in das Coworking Netzwerk. Diese Aussage wird auch von unserem Interviewpartner Moritz B. gestützt, welcher selbst nur 1-2 Mal in der Woche die Lokhalle in Freiburg besucht. Ist der Kontakt erst einmal hergestellt, ist man vernetzt. Über E-Mail Verteiler, Einladung zu Events oder auch virtuellen Kanälen. Ein Beispiel hierfür ist der Slack-Channel in der Lokhalle. Hier können alle NutzerInnen über eine virtuelle Plattform über verschiedenste Bereiche miteinander kommunizieren.

Die genannten Events sind ein fester Bestandteil des Coworking Konzepts und der zweiten Kategorie von Brinks (2012), nämlich die der gezielten Interaktionen. Diese beziehen sich auf die Arbeitstätigkeiten der NutzerInnen. Hierunter fallen beispielsweise Hilfeleistungen bei konkreten Problemen, aber auch der Aspekt der Ideenentwicklung und die Diskussion von Arbeitsansätzen. Zu diesen Interaktionen zählen auch die oben bereits genannten Coworking Events. Diese bieten willkommene Gelegenheiten zum Kennenlernen, Austauschen und Netzwerken. Dieses funktioniert stets in möglichst entspannter und unkomplizierter Atmosphäre, auch wenn dahinter strategische Business-Interessen stehen. So geht es zum Beispiel darum, das Team zu vervollständigen, neue Arbeitskanäle zu eröffnen oder Startkapital zu finden (vgl. Schürmann 2013, S. 43f). Auch Moritz B. berichtet von solchen Events in der Lokhalle. So wird einmal im Monat ein Treffen abgehalten, in denen sich Coworker, aber auch Externe treffen und austauschen können. Es werden aktuelle Themen zum Coworking Space besprochen oder hin und wieder wird solch ein Treffen genutzt, um die eigene Arbeit vorzustellen. Ein weiterer Bereich, der das Kernangebot von Coworking Spaces ergänzt, bildet der gezielte Wissenstransfer in Form von Workshops und Weiterbildungsmöglichkeiten. Viele davon werden von den Coworkern selbst organisiert. So kann man etwa in einem eintägigen Workshop lernen wie sich leicht eine eigene Website gestalten oder sich eine App entwickeln lässt. Eine aktive Startup-Förderung bildet in vielen Coworking Spaces einen weiteren wichtigen und zentralen Bereich. Mit eigens entwickelten Workshops, themenspezifischen Vorträgen oder kompletten Inkubations- und Coaching-Programmen werden Startups gezielt gefördert (vgl. Schürmann 2013, S. 44f). Viele JungunternehmerInnen kommen mit einer mehr oder weniger konkreten Idee in den Coworking Space, um dort ihren Businessplan zu erarbeiten und ihr Geschäftsmodell zu verfeinern. Sie nutzen das vielfältige Dienstleistungsangebot für Startups sowie das Know-How und die Rückmeldungen der Community. Zudem finden sie in verschiedenster Form finanzielle Unterstützung oder werden bei der Suche nach InvestorInnen unterstützt (vgl. Schürmann 2013, S. 52). Laut Moritz B. bietet die Lokhalle ebenfalls ein umfangreiches Angebot an Startup- Förderung an. Es gibt neben der alltäglichen Unterstützung auch gezielte Accelerator-Programme. Diese sind mit einer Art Boot-Camp für Startups zu vergleichen, in denen sowohl Wissen als auch Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sind solche Programme meist auf wenige Monate beschränkt, um die Unternehmensidee intensiv zu einem marktreifen Produkt oder einer Dienstleistung entwickeln zu können. Des Weiteren gibt es auch Hilfe in Form von Sprechstunden, wie etwa mit einem Juristen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gründung abstecken zu können.

Es gibt zahlreiche Wege in Coworking Spaces Kontakte zu knüpfen und ein großes Netzwerk aufzubauen. Allerdings kommt hier dem Coworking-Host eine entscheidende Rolle zu. Tonia Welter (2011), Mitbegründerin des Betahauses Berlin vergleicht die Aufgabe des Hosts mit der Aufgabe eines Wirtes im Umgang mit seinen Stammgästen. Auch hier sollen sich die NutzerInnen wohlfühlen, sodass eine Atmosphäre entsteht, welche Gastfreundlichkeit ausstrahlt. Brown (2017) vertritt die gleiche Ansicht. So sei wissenschaftlich nicht bewiesen, dass Coworker untereinander stark kommunikativ sind und sich aus Eigeninitiative vernetzen. Stattdessen deuten Studien darauf hin, dass eine aktive Vermittlung oder Kuration seitens des Hosts für die Vernetzung der Community unerlässlich ist. Die Rolle des Hosts ist es, die NutzerInnen zur Vernetzung zu animieren und die Interaktion zwischen ihnen zu fördern. Je nach Host kann das auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. So kann er oder sie entweder aktiv die Begegnungen zwischen einzelnen Akteuren fördern und steuern oder die Selbstorganisation und Kontaktaufnahme in Eigeninitiative im Coworking Space fördern.

Coworking Spaces sind in einschlägigen Kreisen in aller Munde. Der Hype, welcher um dieses neue Geschäfts- und Arbeitsmodell kreiert wird hat dazu geführt, dass nicht nur Startups vermehrt in Coworking Spaces ziehen, auch traditionelle Unternehmen haben bereits begonnen, Büros anzumieten oder eigene Coworking Spaces aufzubauen (vgl. Reuschl und Bouncken 2016). „Es ist mal wieder eine Thematik, bei der jeder dabei sein möchte“, so Tobias Kollewe. Es kann sich positiv auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiter auswirken mal aus dem konservativen Büroalltag ausbrechen zu können und einen „Tapetenwechsel“ zu haben. Viele wichtiger ist allerdings, es kann sich positiv auf das Image des Unternehmens auswirken. Ein Unternehmen, welches im Coworking Space arbeitet strahlt Dynamik aus und in Startup Förderung zu investieren hat einen positiven Marketingeffekt. Coworking Space gelten, wie bereits angedeutet, als hip. So nutzt das Unternehmen „Vitra Designmöbel“ ebenfalls die Konferenzräume in der Lokhalle für regelmäßige Kreativmeetings. Aber mehr noch: Sie werden als Geburtsstätten von innovativen Geschäftsideen wahrgenommen. Den Arbeitsplatz oder sogar den Unternehmensstandort an einem dieser Hotspots zu haben, wirkt sich positiv auf das Image der eigenen Firma aus und kann sich etwa bei der Kundenakquise als Pluspunkt herausstellen (vgl. Schürmann 2013, S. 98). Allerdings ist nicht nur die Außenwirkung der Unternehmen Grund für die Arbeit im Coworking Space. Auch die frühe Akquirierung von Startups und somit ein möglicher Marktvorteil ist entscheidend für Unternehmen. Rothaermel (2001) beschreibt die Wichtigkeit von Kollaborationen zwischen Unternehmen und das Anwerben von Startups mit wegweisenden und marktverändernden Unternehmensideen. Als Beispiel nennt er IBM, welche nicht durch die eigene Entwicklung zum Marktführer von E-Business-Infrastrukturen wurden, sondern durch Lizenzvereinbarungen, strategischen Allianzen, Joint Ventures aber vor allem auch durch das Anwerben von Startups mit bahnbrechenden Ideen. Genau das werde immer wichtiger aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeit und dem schnellen technologischen Wandel der heutigen Wirtschaft. Auch Tobias Kollewe kann das bestätigen. Der Wunsch der Unternehmen ist es Startups früh zu akquirieren und Produkte oder Dienstleistungen früh ins eigene Unternehmen einzubinden und weiterzuentwickeln. Es ist eine wechselseitige win-win-Situation, denn aus der Kombination von etablierten Unternehmen und innovativen Startups können außergewöhnliche Projekte entstehen. Außerdem benötigen Startups häufig gerade in der Early-Stage-Phase Hilfe, um erfolgreich zu sein.

Es lässt sich sagen, dass Networking in Coworking Spaces auf vielen Wegen stattfindet. Wie ergiebig diese Netzwerke und zufälligen Begegnungen tatsächlich sind ist derzeit nicht genauer erforscht. So beschreibt Brown (2017), dass es eine offensichtliche Grenze für „zufällige Begegnungen“ gibt. Es finden zwar viele Gespräche in den Social Areas statt, diese tragen jedoch nicht zwangsläufig dazu bei, wichtige Ideen oder Geschäftsmodelle zu generieren. Diese Erkenntnis zeigt, dass möglicherweise ein gewisses Level an „koordinierten glücklichen Zufällen“ nötig ist, um nützliche Interaktionen zu katalysieren, wobei die Wichtigkeit des Hosts erneut aufkommt. In der Studie gibt nur ein geringer Teil der Befragten an, bei organisierten Veranstaltungen für ihre Arbeit nützliche Menschen getroffen und neue Ideen oder Geschäftsmodelle entwickelt zu haben. Dies deckt sich auch mit der Aussage von Moritz B., welcher bisher auch noch keine gewinnbringende Begegnungen hatte. Martins (2014) schlägt vor, dass eine sorgfältige Auswahl von Personen seitens des Hosts erforderlich sein kann, um die Wahrscheinlichkeit nützlicher Interaktionen zwischen NutzerInnen oder auch zu externen Parteien bei Veranstaltungen oder dem Arbeitsalltag zu erhöhen. Die Ergebnisse der Studie von Rank (2014) legen nahe, dass die Erwartungen, die häufig in Bezug auf die Vorteile solcher Netzwerke gestellt werden, zu optimistisch sind. Startups neigen nicht dazu, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit lokalen Partnern umfassen zu nutzen. Ein Grund hierfür ist, nach Reuschl und Bouncken (2017) das Spannungsfeld zwischen Kooperation und Vertrauen vs. Konkurrenz und Absicherung. Die vielen Möglichkeiten der Kooperation und Kontaktaufnahme ergeben zeitgleich ein hohes Risiko des unabsichtlichen Wissensabflusses und des opportunistischen Verhaltens der NutzerInnen oder der externen Unternehmen, die Wissen absaugen. Ein weiteres Spannungsfeld kann zwischen Kommunikation und der operativen Arbeit entstehen. Kommunikationsprozesse sind elementar für den Informationsaustausch, das Lernen und den positiven sozialen Interaktionen. Sie tragen einen wesentlichen Teil zur allgemeinen Zufriedenheit und der Arbeitszufriedenheit bei und können operative und innovative Arbeitsleistungen positiv beeinflussen. Allerdings können diese aber auch schnell von der Arbeit ablenken. Die Eingebundenheit in der Community und die Wohlfühlatmosphäre können schnell von den ökonomischen Zwängen ablenken und erhöhen die Gefahr, dass die Nutzer in eine ökonomische Abwärtsspirale geraten.

weiter zu Kapitel 5 – Fazit

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